Wieder urteilt ein Gericht: Kürzung der Kilometerpauschale verletzt den Gleichheitsgrundsatz.

Hamburg. Das ist eine politische Ohrfeige für die Große Koalition in Berlin und ein Hoffnungsschimmer für alle Pendler, die weniger als 21 Kilometer zur Arbeit fahren: Nach dem niedersächsischen hat nun auch das saarländische Finanzgericht die Kürzung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt. Die Neuregelung sei ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Außerdem verstößt diese gekürzte Fassung der Pauschale nach Meinung des Gerichts gegen das Grundgesetz, weil es den Schutz von Ehe und Familie berührt. Denn in Fällen, in denen beide Ehegatten berufstätig seien, hänge die Wahl des Wohnsitzes nicht allein von privaten Erwägungen ab (Az.: 2 K 2442/06).

Geklagt hatte ein Ehepaar, das wegen seiner Kosten für Fahrten zu den jeweiligen Arbeitsstätten beim Finanzamt einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte 2007 beantragt hatte.

Die Kilometerpauschale von 30 Cent kann seit Jahresbeginn nur noch vom 21. Entfernungskilometer an von der Steuer abgesetzt werden. Kurzpendler gehen leer aus. Mit dieser Kürzung erhofft sich der Bund etwa fünf Milliarden Euro an Steuermehreinnahmen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe muss nun über die Rechtmäßigkeit der neuen Regelung entscheiden.

Das Urteil aus dem Saarland wurde von einem Mitglied des Lohnsteuerhilfevereins erstritten. "In der 30-seitigen Begründung des Gerichts finden sich alle unsere Argumente", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Lohnsteuerhilfevereine, Erich Nöll, dem Abendblatt. "Wenn das Bundesfinanzministerium weiterhin daran festhält, dass die Kürzung verfassungsgemäß ist, dann sitzt man dort wirklich auf dem hohen Ross", sagte er. "Das Gesetz ist erst drei Monate in Kraft, und schon haben es zwei Finanzgerichte für derart verfassungswidrig erklärt, dass sie unter Umgehung des Bundesfinanzhofes die Fälle direkt dem Bundesverfassungsgericht vorlegen."

Nach seinen Informationen hat die Regierung die Kürzung der Pendlerpauschale gegen den Widerstand der Fachpolitiker beschlossen, sagte Nöll. "Viele wussten es besser, konnten das Vorhaben aber nicht stoppen."

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, forderte, die alte Rechtslage wiederherzustellen. "Diese Finanzgerichtsbeschlüsse sollten für den Gesetzgeber Anlass genug sein, die steuersystematisch unsinnige Kürzung der Pendlerpauschalge schnellstens zurückzunehmen."

Gerhard Stiehler, Vorstandsmitglied im Bund der Steuerzahler Hamburg, sagte dem Abendblatt, das Urteil reihe sich ein in die gute Rechtsprechung der Vergangenheit. "Es gibt ja heute kaum noch eine Steuerbestimmung, die nicht den Geruch der Verfassungswidrigkeit in sich trägt", kritisierte er.

Theoretisch könne man jetzt als Kurzpendler einen höheren Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eintragen lassen, sagte er. Wenn das Finanzamt dies ablehne, könne man Widerspruch einlegen. "Dann bis zum Finanzgericht zu gehen ist für den Einzelnen sicher zu teuer und dauert zu lange. Da muss man auf das Bundesverfassungsgericht warten, das über die Pendlerpauschale entscheiden wird." Das könne aber sehr lange dauern, weil das Gericht überlastet sei.

Stefan Wenzel, Fraktionschef der Grünen im niedersächsischen Landtag, sieht seine verfassungsrechtlichen Bedenken bestätigt. Sein Vorschlag: "Besser wäre eine lineare Absenkung der Kilometerpauschale." Die nämlich sorge für Gleichbehandlung aller Pendler.