Spätestens seit dem 11. September 2001 steht der Islam in der westlichen Welt unter Generalverdacht. Der Vorwurf lautet, die vom Propheten Mohammed vor 1400 Jahren begründete Religion sei aus sich heraus gewalttätig, fanatisch und strebe nach der Weltherrschaft.

Die Sensibilitäten auf islamischer Seite - etwa nach den Mohammed-Karikaturen zu Beginn des Jahres oder als Folge der umstrittenen Papst-Äußerung vor zwei Wochen - werden vom Westen in der Regel unter Verweis auf die Meinungsfreiheit kategorisch zurückgewiesen. Umso mehr, wenn sich diese Sensibilitäten in blindwütiger Gewalt entladen.

Wie also konstruktiv miteinander umgehen, auch mit Blick auf die in Deutschland lebenden Muslime?

Zunächst einmal sollten wir uns vor Verallgemeinerungen hüten. "Den" Islam gibt es ebenso wenig wie "das" Christen- oder Judentum. Religionen sind komplexe Deutungssysteme des Verhältnisses von Mensch und Gott, eingefasst von Klerus und Orthodoxie. Diese können, ebenso wie die Gläubigen selbst, eine liberale und tolerante oder aber eine rigorose und fundamentalistische Ausrichtung nehmen.

Bergpredigt oder Kreuzzüge, die Liebe zu den Menschen oder aber das Schwert - jede Religion hat im Verlauf ihrer Geschichte das ganze Spektrum menschlicher Vernunft und Unvernunft ausgekostet.

Die heutige Krankheit des Islam besteht darin, dass die Religion eine Geisel in den Händen von politischen Extremisten geworden ist. Vor allem drei Gründe sind dafür zu nennen.

Zum einen die Unfreiheit in allen islamischen Staaten. Sie sind Diktaturen, die lediglich die Moscheen nicht restlos zu unterwerfen wagen. Die Moscheen werden dadurch zum einzigen öffentlichen Raum für Protest und politische Opposition.

Zum Zweiten das katastrophale Bildungsniveau, der hohe Analphabetismus, verbunden mit Arbeits- und Perspektivlosigkeit.

Und drittens eine falsche Politik des Westens, namentlich der "Krieg gegen den Terror", der insbesondere den Irak zu einem riesigen Rekrutierungsbüro für islamistische Terroristen aus aller Welt gemacht hat.

Die meisten Muslime leiden unter den fürchterlichen Verhältnissen in ihren Ländern. Sie sehnen sich nach Veränderung und wissen doch, dass ihre Regime von den USA ebenso wie von der Europäischen Union aktiv unterstützt werden, solange sie keine westlichen Interessen gefährden. Sie haben nichts, was ihnen Halt und eine Identität geben würde - abgesehen von ihrer Religion.

Das Wort vom "Islamo-Faschismus" empört sie, ebenso wie Verunglimpfung des Propheten, insbesondere dessen Gleichsetzung mit dem Terror. Gewiss, radikale Islamisten instrumentalisieren diese Gefühle. Aber sie können nur instrumentalisieren, was die Menschen mehrheitlich empfinden.

Eine kluge westliche Politik wird versuchen, die Köpfe und Herzen der gemäßigten Muslime zu gewinnen - und das ist die überwältigende Mehrheit. Demokratie und Freiheit sind hohe Werte, die nicht mit Waffengewalt zu exportieren sind. Die Muslime in Deutschland wiederum haben verdient, an ihrer Leistung gemessen zu werden - nicht, sie unter Generalverdacht zu stellen. Der Maßstab darf allein das Grundgesetz sein.

Das heißt auch, dass kritische Worte über den Islam erlaubt sein müssen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Deutschen Oper Berlin, eine religionskritische Inszenierung von Mozarts Oper "Idomeneo" aus vorauseilendem Gehorsam abzusetzen, töricht und falsch. Umso mehr, als eine entsprechende Forderung von muslimischer Seite gar nicht erhoben worden ist.