Das vereinte Deutschland wird immer noch aus zwei Städten regiert: aus Berlin und Bonn.

Bonn. Die Hauptstadt ist zwar weit präsenter in den Medien, doch in Bonn arbeiten noch immer mehr Regierungsbeamte. Heute vor 15 Jahren fällte der Bundestag seine Entscheidung zum Umzug an die Spree. Der Beschluß war umstritten und kam damals nur deshalb mit knapper Mehrheit (338:320 Stimmen) zustande, weil Bonn Ausgleichsmaßnahmen in Aussicht gestellt wurden. Für die Zukunft Bonns wurde das Schlimmste befürchtet. Doch alle Untergangsprognosen trafen nicht ein.

Den Abgang der hohen Politik hat die Stadt bestens bewältigt, die Abgeordneten werden kaum vermißt. Zum Ausgleich für den Umzug hat der Bund in den vergangenen Jahren rund 1,4 Milliarden Euro nach Bonn gepumpt. Mit der Telekom und der Deutschen Post sind zudem zwei Weltkonzerne hier ansässig.

Die Stadt ist auch ein vielbeachteter Standort von Wissenschaft und Kultur. In Kürze wird Uno-Generalsekretär Kofi Annan im früheren Regierungsviertel den neuen Uno-Campus eröffnen. Oben auf dem ehemaligen Abgeordnetenhochhaus "Langer Eugen" glänzt bereits das blau-weiße Emblem der Vereinten Nationen. Vor dem alten Bundestagsplenargebäude baut der koreanische Konzern Hyundai für rund 140 Millionen Euro ein Internationales Kongreßzentrum.

"Bonn hat den Strukturwandel geschafft", sagt Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD). Die frühere behördliche Monostruktur sei durch Vielfalt abgelöst worden. Die Stadt habe heute mehr Einwohner und Arbeitsplätze als beim Umzug 1999. Nur wenige deutsche Städte verzeichnen eine so niedrige Arbeitslosenquote von 8,2 Prozent.

Trotz vieler Versuche, am Umzugsbeschluß und den später im Bonn-Berlin-Gesetz von 1994 verankerten Regelungen zu der "fairen Arbeitsteilung" zu rütteln, haben sechs Ministerien (Verteidigung, Umwelt, Agrar, Entwicklung, Gesundheit und Bildung) ihren ersten Sitz und die weiteren ihren zweiten Sitz in Bonn. Union und SPD bekräftigten das im Koalitionsvertrag.

Der Rutschbahn-Effekt hielt sich in Grenzen. Viele Verbände und Lobby-Vertretungen zogen nach Berlin, aber Dutzende sind auch in Bonn geblieben. Der Zug nach Bonn war ebenfalls beachtlich: Etwa 20 Behörden mit knapp 7000 Stellen wurden in den vergangenen Jahren als Ausgleich nach Bonn verlagert. Darunter sind das Bundeskartellamt, der Bundesrechnungshof oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Viele Ministeriumsbeamte tun auch weiterhin in Bonn ihren Dienst. Mit rund 10 200 Beamten und Angestellten sitzen immer noch mehr Regierungsmitarbeiter am Rhein als an der Spree mit etwa 8800. Trotz Schaltkonferenzen gibt es monatlich immer noch rund 5500 Pendel-Flüge. Der Bundesrechnungshof kam aber zu dem Ergebnis, daß die Zweiteilung wirtschaftlicher sei als ein Komplettumzug. Die Pendelei koste jährlich nur etwa zehn Millionen Euro, wohingegen ein Totalumzug sich auf fünf Milliarden Euro summieren würde.