Hamburg. So verhängnisvoll die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert auch verlaufen ist, wenigstens mit unseren heutigen Nationalfarben haben wir Glück gehabt. Historisch betrachtet ist ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer nicht dazu angetan, schlimme Erinnerungen wachzurufen. Im Gegenteil: Die deutsche Trikolore war meist ein Symbol des Fortschritts, weder Monarchen noch Diktatoren konnten etwas damit anfangen.

"Das Band ist zerschnitten, war Schwarz, Rot und Gold, und Gott hat es gelitten, wer weiß was er gewollt", dichtete Daniel August von Binzer 1819 in seinem Klagelied über die Zwangsauflösung der Jenaer Burschenschaft, in dem der farbliche Dreiklang erstmals erwähnt wird. Über die Deutung der Farben ist viel spekuliert worden, sicher scheint nur, daß Schwarz-Rot-Gold im Umkreis jener Studenten aufkam, die sich am Ende der Befreiungskriege für einen deutschen Nationalstaat einsetzten. Die reaktionären Fürsten, denen jeder Nationalgedanke verdächtig nach Freiheit roch, verfolgten sie dafür gnadenlos. Erstmals öffentlich gehißt wurde die schwarz-rot-goldene Flagge am 27. Mai 1832 auf dem Hambacher Fest, auf dem etwa 30 000 Menschen Freiheit, Bürgerrechte und nationale Einheit forderten. 16 Jahre später flatterte die Fahne auf den Barrikaden der Revolutionäre von 1848. Und als sich der preußische König Friedrich Wilhelm IV. am 21. März Anno 48 zwangsweise vor den von seinen Truppen erschossenen Revolutionären verbeugen mußte, waren die Särge der "Märzgefallenen" mit der Fahne geschmückt, die längst als Symbol der nationalen Einheit galt.

Die Einheit ließ allerdings auf sich warten, auch wenn der Deutsche Bund sich nun Schwarz-Rot-Gold auf die Fahnen schrieb. Und als das Deutsche Reich 1871 dann endlich gegründet wurde, geschah das unter ganz anderem farblichen Vorzeichen, dem Schwarz-Weiß-Rot des Kaiserreichs.

Erst 1919 erklärte die Weimarer Republik Schwarz-Rot-Gold zur Nationalflagge - was auf den erbitterten Widerstand der Monarchisten und Rechten stieß, die die demokratische Trikolore als "Schwarz-Rot-Senf" oder "Schwarz-Rot-Scheiße" verhöhnten. Kein Wunder, daß Hitler für seine Hakenkreuzfahne Schwarz-Weiß-Rot wählte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es zwar zwei deutsche Staaten, aber nur eine Fahne. Denn sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR wählten Schwarz-Rot-Gold zur Staatsflagge. Erst 1959 fügte die DDR der Fahne Hammer, Zirkel und Ährenkranz hinzu. Ende 1989 schnitten viele Ostdeutsche das ungeliebte Emblem wieder heraus und seit dem 3. Oktober 1990 ist es nur noch Geschichte.

An der deutschen Nationalhymne, die die deutsche Nationalelf bemerkenswert textsicher singt, haben wir historisch schwerer zu tragen. 1841 von Heinrich Hoffmann von Fallersleben gedichtet, brachte es im patriotischen Überschwang die Sehnsucht nach nationaler Einheit zum Ausdruck.

Ach, hätte von Fallersleben doch besser auf die erste Strophe verzichtet, denn dieses "Deutschland, Deutschland über alles" ließ und läßt sich bekanntlich mühelos nationalistisch umdeuten. Die Nazis grölten dann auch lauthals den ersten Vers und verzichteten auf den Rest, den sie durch ihr tumbes Horst-Wessel-Lied ersetzten.

Die Bundesrepublik tat sich mit der Hymne anfangs schwer. Bundespräsident Theodor Heuss hatte eine von Rudolf Alexander Schröder gedichtete "Hymne an Deutschland" empfohlen, die politisch korrekt war, aber außer ihm selbst niemand so recht mochte. Schließlich stimmte er 1952 Adenauers Vorschlag zu, das Deutschlandlied als Nationalhymne der Bundesrepublik anzuerkennen, aber nur die dritte Strophe zu singen. Bei dieser halbherzigen Lösung blieb es, bis das vereinigte Deutschland 1991 den historischen Ballast der ersten beiden Strophen endgültig über Bord warf und allein die dritte Strophe zur Nationalhymne erklärte - gewiß eine gute Entscheidung.