Kommentar

Wer auf Steuerzahlers Kosten hoch fliegt und seine Bonus-Meilen privat nutzt, kann tief fallen. Diese Erfahrung hat nun auch Cem Özdemir gemacht. Und mit ihm seine Partei. Die Grünen waren einst mit hohen moralischen Ansprüchen angetreten. Ganz anders als alle anderen wollten sie sein. Meister und Meisterinnen der Intrige aber gab es in ihren Reihen schon vor der Parteigründung. Regierungsbeteiligungen in den Ländern und seit knapp vier Jahren im Bund zwangen sie zu Kompromissen bis hin zur Zustimmung zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr. Mit dem Fall Özdemir und seinen finanziellen Komponenten dürfte auch der letzte Unterschied zu den anderen Parteien verschwunden sein. Und noch eins haben die Grünen gelernt. In heißen Wahlkampfzeiten kann sich keine Partei für längere Zeit affärengeplagte Kandidaten leisten. Da gibt es keine Sentimentalitäten. Der Abgang Özdemirs erfolgte ähnlich prompt wie der Rauswurf des unglücklichen Verteidigungsministers Scharping in der Vorwoche durch den Bundeskanzler. Und schließlich stolperten beide - Özdemir wie Scharping - über ihre finanziellen Verbindungen zum gleichen Mann: dem umstrittenen PR-Berater Moritz Hunzinger. Letzterer betreibt sein Geschäft der "Vernetzung" allerdings ausgesprochen parteiübergreifend. Und so bleiben die Reaktionen der anderen auch ungewöhnlich milde. "Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein", scheint die Devise der Stunde zu lauten. Denn wenn Union und Liberalen nicht selbst noch Unerwartetes widerfährt, läuft im Moment alles auf einen Regierungswechsel hinaus. Scharping, Telekom und die hohe Arbeitslosigkeit bringen den Stern der SPD weiter zum Sinken. Und die Causa Özdemir hat die Grünen unbarmherzig in den Fünf-Prozent-Abgrund blicken lassen.