Hamburg. Die Bundeswehr hat ein dickes Problem. Immer weniger junge Menschen sind fit genug für die Truppe. Eine Studie des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes in Koblenz - sie liegt dem Abendblatt vor - weist ein deutliches Absinken der körperlichen Leistungsfähigkeit von jungen Bewerbern aus, die Unteroffizier oder Offizier bei der Bundeswehr werden wollen. Die Truppe schlägt Alarm. Noch gibt es ausreichend Bewerber, um auszuwählen, doch vor dem Hintergrund zunehmender Einsatzbelastung wird es bei den geburtenschwachen Jahrgängen ab 2010 deutlich enger.

Etwa jeder dritte Jugendliche gilt heute bereits als fettleibig, die Fachleute sprechen von "adipös". 70 Prozent der Jugendlichen behalten ihren Umfang auch als Erwachsene bei. Mehr als zwei Drittel der erwachsenen deutschen Männer und Frauen sind übergewichtig. Deutschland liegt mit dieser Tendenz nicht mehr weit hinter dem Weltspitzenreiter USA, wo die Bürger im Schnitt jedes Jahr ein knappes Kilo schwerer werden.

Doch wer Soldat werden möchte, braucht auch körperliche Fitness. "Gerade bei einer Einsatzarmee ist das wichtig, um den vielfachen Belastungen gewachsen zu sein", sagte ein Bundeswehr-Sprecher dem Abendblatt.

Die Studie des Sanitätsdienstes weist aus, daß die Leistungsfähigkeit beim sogenannten "Physical-Fitness-Test" (PFT), den jeder Bewerber für die Unteroffiziers- oder Offizierslaufbahn absolvieren muß, deutlich gesunken ist. Das ist ein einfacher sportmotorischer Test: 40 Sekunden Liegestütz, 40 Sekunden Sit-ups, Standweitsprung, 4 x 9 Meter Pendellauf und ein 12-Minuten-Lauf als Ausdauertest. Wer in der Truppe Dienst tut, muß bei diesem Test 15 von 30 möglichen Punkten erreichen und in jeder Disziplin mindestens zwei Punkte.

Wegen der nachlassenden physischen Leistungen junger Erwachsener wurden die Einstellungskriterien für Zeit- und Berufssoldaten auf nur noch einen Punkt je Disziplin und insgesamt sechs Punkte gesenkt. Das entspricht für einen 24 Jahre alten Mann: 10,3 Sekunden für den Pendellauf, 21 bis 24 Sit-ups, 1,95 Meter im Standweitsprung, 13 bis 15 Liegestütze, 1750 Meter im 12-Minuten-Lauf. Eine Strecke, die, so die Studie, "von vielen älteren Menschen beim Spazierengehen erreicht werden kann".

Die Auswertung von 15 000 Tests aus den Jahren 2000 und 2004 zeigt ein erschreckendes Bild: Schon vor fünf Jahren fielen mehr als 40 Prozent der Hauptschüler, die sich für die Unteroffizierslaufbahn bewarben, beim PFT durch. Bei den Gymnasiasten - sie wollen üblicherweise Offizier werden - lag die Quote im Jahr 2000 noch bei 20 Prozent. Im vergangenen Jahr war sie aber schon rund 35 Prozent höher, wobei sie bei den Hauptschulabsolventen etwas stagniert. Fazit der Studie: je dicker, um so schlapper.

"Fettleibigkeit ist mittlerweile eine echte Volkskrankheit, und wir bekommen ein ernstes Nachwuchsproblem", sagte ein Offizier zum Abendblatt. "Wir haben Bewerber, die beim körperlichen Leistungstest nicht einmal drei oder vier Punkte erreichen. Das ist viel zuwenig."