Renate Damm: Justitiarin, Kämpferin, Politikerin, Dozentin, Anwältin - die Streiterin für Recht wird 70

Es wäre ziemlich uncharmant, sie "juristisches Urgestein" zu nennen. Denn mit ihrer Vorliebe für jugendliche Kurzhaarfrisuren und farbige Kostüme wirkt Renate Damm auch mit 70 Jahren irgendwie alterslos.

Allerdings hat die Juristin in ihrer Karriere eine Wirkung entfaltet, die den Ausdruck "Urgestein" in vieler Hinsicht rechtfertigt. Nicht nur, weil sie von 1963 bis 1995 im Axel Springer Verlag tätig war, davon zehn Jahre als Chefjustitiarin. Sie war auch bundespolitisch aktiv: als FDP-Politikerin (1987-1989 stellvertretende Landeschefin in Hamburg); als Mitglied des Rechtsausschusses und der Bundesmedienkommission; als Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes (1983-1989) - da brachte sie zusammen mit Lore-Maria Peschel-Gutzeit familienpolitische Gesetze auf den Weg. Im Jahr 2000 gründete sie die Hamburger Kanzlei Damm & Mann, in der sie für Presse-, Arbeits-, Vertrags- und Urheberrecht zuständig ist. Und ganz nebenher hat sie noch Generationen junger Journalisten in Presserecht unterrichtet, etwa an der Hamburger Akademie für Publizistik und der Universität München.

Dabei konnte sie nun aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Axel Springer hatte die blutjunge Referendarin 1963 persönlich eingestellt, obwohl - oder gerade weil - sie in einem Gutachten dargelegt hatte, warum Springer einen Prozeß, der ihm sehr am Herzen lag, nicht gewinnen könnte. Springer lernte schätzen, was Renate Damm ausmacht: präzise Fachkenntnisse und gesundes Selbstbewußtsein.

Sie leitete die Rechtsabteilung "Redaktionen" im Axel Springer Verlag ab 1967 in bewegten Jahren. Denn eine Marktmacht, wie gerade die "Bild"-Zeitung sie damals entwickelte, hatte es zuvor in Deutschland nicht gegeben. Das führte zu Auseinandersetzungen, die auch vor Gericht ausgetragen wurden - etwa im Falle Günter Wallraffs, der 1977 als "Hans Esser" in der "Bild"-Redaktion Hannover gearbeitet hatte und drei Enthüllungsbücher schrieb. Wer nun glaubt, Renate Damm sei nur eine juristische Erfüllungsgehilfin "ihrer" Redaktionen gewesen, der kennt sie nicht. Sie ist eine Kämpfernatur - "wie ein Terrier", hat ein Kollege mal über sie gesagt -, aber in ihrem Rechtsempfinden unbestechlich. Chefredakteure, die einem Politiker oder Prominenten auf die Füße treten wollten und so klug waren, vorher Renate Damm zu konsultieren, konnten sich auf ein Donnerwetter gefaßt machen, wenn die Justitiarin Rechtsverstöße witterte. Für sie hat nicht nur der Persönlichkeitsschutz einen hohen Rang, sondern eben auch die Pressefreiheit. "Heute sind die Geldentschädigungen nach Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schon wesentlich höher als nach schweren Körperverletzungen", sagt sie, "das halte ich nicht für korrekt."

Ihr Sohn (37) ist auch Journalist geworden. Wie konnte sie ihren Full-Time-Job mit einem Kind vereinbaren? "Ich konnte es nur mit einer eigenen Kinderpflegerin", sagt sie. "Wenn mich später jemand gefragt hat ,Warum hast du eigentlich keine Aktien gekauft?', habe ich gesagt: ,Meine Aktie ist mein Kind.'" In zweiter Ehe ist Renate Damm mit dem Journalisten Hans Ilgmoser verheiratet. Die beiden haben ein wunderschönes Haus auf Mallorca. Renate Damm hat nämlich auch das Talent zu genießen. Aber es sieht nicht so aus, als würde sie sich bald zurückziehen.