Hamburg. Das konnte nicht gutgehen. Gesetzlich Versicherte zahlen Monat für Monat beim Arzt und in der Apotheke, damit die Krankenkassen die Beiträge senken können. Doch statt umfassender Senkungen genehmigten sich einige Kassenchefs erst mal selbst mehr Gehalt (wir berichteten).

Das Echo ist entsprechend verheerend - selbst in den eigenen Reihen. Der Vorstand der Hamburger Betriebskrankenkasse Securvita, Ellis Huber, kritisierte die Gehaltspolitik einiger seiner Vorstandskollegen als "unsensibel". "Ich habe kein Verständnis für die Verwaltungsräte der Kassen, die diese Erhöhungen beschlossen haben", sagte Huber dem Abendblatt. "Das ist in einer Zeit, in der die Bürger ohnehin sehr hohe Lasten tragen müssen, nicht sehr gefühlvoll."

Auch andere Kassen rümpfen die Nase über die satten Zuschläge, die die Herren Schmeinck und Voß (BKK-Bundesverband) sowie Kreutz (IKK Berlin-Brandenburg) und Bollhorn (BKK Mobil Oil) im letzten Jahr einstreichen konnten. Bei den Sozialverbänden SoVD und VdK hat man dafür in diesen Zeiten gar kein Verständnis. "Es ist für die Versicherten nicht nachvollziehbar, warum sie immer noch auf Beitragssenkungen warten müssen, während die Vorstandsgehälter bereits steigen", sagte VdK-Präsident Walter Hirrlinger dem Abendblatt. "Immerhin beruhen die Überschüsse auf Belastungen der Versicherten seit Start der Gesundheitsreform 2004."

SoVD-Chef Adolf Bauer bezeichnete die Erhöhungen als "deutlichen Hinweis auf mangelndes Fingerspitzengefühl". Höhere Chefgehälter bei Kassen paßten nicht in die Zeit, sagte er dem Abendblatt. "Hohe Überschüsse, kaum Beitragssenkungen, aber dafür höhere Gehälter - das paßt nicht zusammen."

Große Krankenkassen gaben gegenüber dem Abendblatt an, die Bezüge ihrer Vorstände nicht erhöht zu haben - so etwa die beiden Hamburger Kassen Techniker Krankenkasse (TK) und DAK sowie die Kaufmännische Krankenkasse Hannover (KKH). Der DAK-Vorstandschef erhalte unverändert 221 526 Euro pro Jahr, der TK-Vorstand 216 730 Euro und der KKH-Chef 183 300 Euro, nebst Erfolgsprämie von 16 000 Euro pro Jahr.

Mit den Gehaltssteigerungen der Kassenfunktionäre geraten allerdings auch die noch üppigeren Einkommen von Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) ins Blickfeld. Diese Organisationen vertreten die rund 140 000 niedergelassenen Kassenärzte und Physiotherapeuten. Der Chef des Ärzteverbandes Marburger Bund, Frank-Ulrich Montgomery, nannte die Jahreseinkommen von KV-Vorständen gegenüber dem Abendblatt "astronomisch" und "überdimensioniert".

Mit einem Jahreseinkommen von 260 000 Euro ist der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, einer der Spitzenverdiener unter den Gesundheitsfunktionären. Zu seinem Gehalt kommt noch eine Altersversorgung nach Regeln des Beamtenrechts. Die übrigen 17 KV-Chefs verdienen zwischen 240 000 und 162 000 Euro jährlich.

Das Einkommen der KV-Chefs wird übrigens über Beiträge der niedergelassenen Ärzte finanziert. Diese werden, so die KBV, "wie eine Art Steuer von deren erwirtschaftetem Honorar einbehalten". Dieses Honorar wiederum setzt sich aus den Beitragsgeldern der Versicherten zusammen. Allein in Hamburg ist die Honorarabgabe der Kassenärzte in den letzten drei Jahren um 20 Prozent gestiegen. "Je höher die Honorarabgaben für die Gesundheitsverwaltung sind, desto weniger bleibt am Ende für die Patientenversorgung übrig", kritisiert Montgomery.