Moslems: Altbundeskanzler - Deutschland hat die Probleme der Integration seit den 60er Jahren vernachlässigt.

Hamburg. Eine Integration verschiedener Kulturen wird in Deutschland auf absehbare Sicht kaum möglich sein. Mit dieser These hat sich Altbundeskanzler Helmut Schmidt in die Debatte um den künftigen Umgang mit muslimischen Zuwanderern eingeschaltet. In einem Interview mit dem Abendblatt sagte Schmidt wörtlich: "Mit einer demokratischen Gesellschaft ist das Konzept von Multikulti schwer vereinbar. Vielleicht auf lange Sicht."

Insofern sei es ein Fehler gewesen, "daß wir zu Beginn der 60er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten", betonte Schmidt. Die damit entstandenen Probleme seien in Deutschland, aber auch in ganz Europa vernachlässigt worden. Bislang funktionierten multikulturelle Gesellschaften nur dort friedlich, wo es einen starken Obrigkeitsstaat gebe. Als Beispiel nannte er Singapur.

Die entscheidende Ursache für das Mißlingen der Integration sieht Schmidt in der "Feindlichkeit", mit der alle christlichen Kirchen über Jahrhunderte die Europäer gegenüber anderen Religionen erzogen hätten, insbesondere gegenüber dem Judentum und dem Islam. "Wenn jetzt einige Idealisten von Toleranz reden, kommt dieser Appell Hunderte von Jahren zu spät", so der Altbundeskanzler. "Es kommt hinzu, daß sich viele Ausländer gar nicht integrieren wollen."

Unterdessen hat die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), ein 20-Punkte-Papier zur Integration von Moslems vorgelegt. Sie fordert darin unter anderem die entschiedene Bekämpfung islamistischer Bestrebungen, aber auch eine "Politik der Anerkennung, die den Islam als gleichberechtigte Religion akzeptiert".

Der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Hans-Joachim Meyer, plädiert für einen Dialog zwischen Christen und Moslems. "Wir brauchen so etwas wie einen europäischen Islam, der sich tolerant verhält", sagte er im Radio Berlin Brandenburg. Zugleich forderte er von Ausländern Kenntnisse über die deutsche Kulturgeschichte. Sprachkenntnisse allein genügten nicht. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christoph Böhr mahnte ein "klares Wort des Respekts" gegenüber jenen Moslems an, die ihren Glauben in Übereinstimmung mit den politischen und sozialen Grundüberzeugungen Europas bringen wollten.