Mißhandlung von Bundeswehrsoldaten mit Kameras gefilmt. 16 Vorgesetzte vom Dienst suspendiert

Coesfeld/Berlin. Ein Hauptmann und 15 Unteroffiziere der Bundeswehr sind vom Dienst suspendiert worden. Sie stehen im Verdacht, in einer Ausbildungskompanie im westfälischen Coesfeld Untergebene mißhandelt zu haben.

Wie der ermittelnde Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer am Wochenende mitteilte, sollen die Ausbilder unter anderem Rekruten mit Schwachstrom gequält haben. Die jungen Männer sollen insgesamt viermal in diesem Jahr auf Nachtmärschen in einem Hinterhalt überfallen, mit Kabelbindern gefesselt und mit Stiefelbeuteln über den Köpfen auf Lastwagen in die Kaserne gebracht worden sein.

In der Kompanie hätten dann sogenannte Geiselbefragungen stattgefunden: Die Rekruten hätten sich in einem Duschraum hinknien müssen, während sie mit Wasser bespritzt wurden. Zwei Soldaten sollen mit der Induktionsspannung eines Feldfernsprechers im "Hals-, Leisten- und Bauchbereich" traktiert worden sein. Die Ermittler hätten Hinweise, daß die Exzesse gefilmt und fotografiert wurden. Computer und andere Datenträger seien beschlagnahmt worden, die Auswertung läuft.

Laut Oberstaatsanwalt ereigneten sich die Vorfälle zwischen Juni und dem 1. September dieses Jahres. Die Bundeswehr habe alle Beschuldigten sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe Mitte Oktober vom Dienst suspendiert. "Wir haben sofort gehandelt, weil es so etwas in der Bundeswehr nicht geben darf", sagte ein Sprecher des Heeresführungskommandos in Koblenz.

Die Soldaten selbst hätten sich nicht beschwert. Vielmehr habe ein Vorgesetzter davon erfahren und die Vorfälle angezeigt. Ein Rekrut habe sich bei dem Vorgesetzten erkundigt, ob diese Art der Ausbildung normal sei. Zudem sei ein Disziplinarverfahren bei der Bundeswehr gegen die Beschuldigten eingeleitet worden.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Münster sollen 70 bis 80 Soldaten betroffen sein. Der Bataillonskommandeur habe die Vorgänge detailliert dargelegt. "Die haben nichts zu vertuschen versucht", betonte Schweer. Sollten die Soldaten von einem Gericht verurteilt werden, drohten ihnen nach dem Wehrstrafgesetzbuch Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Münster seien noch "ganz am Anfang", sagte der Münsteraner Staatsanwalt Schweer. Mit einem Abschluß sei in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Viele der von den Vorfällen betroffenen Soldaten seien mittlerweile auf Bundeswehr-Standorte in ganz Deutschland verstreut. Andauernde körperliche Schäden habe jedoch nach den derzeitigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft keines der Opfer davongetragen.

Der zuständige Kommandeur des Heerestruppenkommandos in Koblenz, Ernst Heinrich Lutz, sagte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", die Vorfälle seien grobe Pflichtwidrigkeiten, die allen gültigen Vorschriften widersprächen. "Die gesamte Rechtsordnung ist geschädigt worden, Menschen wurden Objekte", wurde der Generalmajor zitiert. Der Wehrexperte der Grünen, Winfried Nachtwei, sagte im ZDF, es sei keine Situation in der Ausbildung vorstellbar, wo so etwas gerechtfertigt sein könnte. "Das ist von vornherein rechtswidrig", sagte Nachtwei.

Die Ausbildungskompanie gehört zu dem in Unna stationierten Instandsetzungsbataillon 7. Die Rekruten erhalten im nahegelegenen Coesfeld lediglich ihre Grundausbildung und werden auf Bundeswehrstandorte in ganz Deutschland verteilt.