Haushaltslücke: Wie die rot-grüne Bundesregierung den Etat für das Jahr 2005 finanzieren will.

Berlin. Der Bund will seine milliardenschweren Haushaltslücken in diesem und im kommenden Jahr mit einer Mischung aus höheren Schulden, Privatisierungserlösen und Einsparungen schließen. Darauf legten sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel nach Regierungsangaben gestern im Kabinett fest. Schröder habe seine Minister dazu verpflichtet, die von Eichel geforderten Sparbeiträge - rund fünf Milliarden Euro - auch tatsächlich zu erbringen.

Den Maßnahmenkatalog will der Minister heute präsentieren, sobald der in Gotha tagende Expertenkreis sein Ergebnis der Steuerschätzung vorgelegt hat. Erst dann könnten Details - wie etwa die Höhe der angestrebten Einnahmen aus dem Verkauf von Staatseigentum - mitgeteilt werden, sagte Regierungssprecher Thomas Steg. Schröder und Eichel zögen an einem Strang. Ziel sei ein verfassungskonformer Etat und die Einhaltung des Euro-Stabilitätspaktes 2005.

Einen Haushaltsgipfel der Koalition, wie ihn die Regierung zunächst angedeutet hatte, wird es doch nicht geben. Konsequenzen aus der Steuerschätzung überlasse der Kanzler allein dem Finanzminister, sagte Steg. Alle Regierungsmitglieder unterstützen Eichels Sparkurs, niemand verweigere ihm das Gespräch. "Der Abstimmungsprozess" über die Maßnahmen sei noch im Gang.

Die Steuerschätzung wird dem Staat nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums bis Ende 2007 Mindereinnahmen von wenigstens 50 Milliarden Euro bringen. Als Reaktion will Eichel nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" ein 25 Milliarden Euro schweres Paket schnüren. Die für nächstes Jahr geplante Neuverschuldung von 21 Milliarden Euro werde überschritten. Eichel habe sich mit Schröder verständigt, die EU-Verschuldungsgrenze notfalls um 0,5 Prozentpunkte zu überziehen. Dagegen stehen 1,2 Milliarden Euro EU-Überschuss, die Deutschland 2004 weniger an die Europäische Union überweisen muss.

Wegen der hohen Staatsverschuldung erwägt die Opposition eine Verfassungsklage gegen die Regierung. Haushaltsexperten von Union und FDP werfen Rot-Grün fortgesetzte Verstöße gegen das Grundgesetz und den EU-Stabilitätspakt vor. Es sei nicht hinnehmbar, dass Deutschland auch 2005 - das vierte Jahr in Folge - gegen die Euro-Vorgaben verstoßen werde. Niedersachsen und Baden-Württemberg kündigten an, eventuelle Strafzahlungen nicht mittragen zu wollen. Die Koalition wies die Kritik scharf zurück. Statt Sparvorschläge vorzulegen, setze die Opposition auf "Krawall", meinte SPD-Finanzexperte Joachim Poß.

Nach dem Grundgesetz darf die Neuverschuldung nicht über den Investitionen liegen. Ausnahmen sind nur erlaubt, wenn die Regierung die gesamtwirtschaftliche Lage für gestört erklärt, was sie seit 2001 jedes Jahr getan hat. Eichel versprach, 2005 einen rechtlich einwandfreien Haushalt vorzulegen, ohne deshalb den Sparkurs zu verschärfen, weil dies seiner Meinung nach die Konjunkturerholung gefährden würde. Wenn die Wirtschaft dauerhaft auf Wachstumskurs sei, werde konsolidiert. Diese Position hatte Eichel am Dienstag seinen EU-Kollegen in Brüssel erläutert.

Trotz anhaltend scharfer Kritik an seinem Vorstoß beharrte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering auf seinem Standpunkt, Mehrausgaben für Bildung und Forschung über die Einhaltung der Euro-Verschuldungsgrenze zu stellen. Die Grünen warnten vor einer Aufkündigung des Euro-Paktes. "Wir werden nicht die Schleusen öffnen", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dem Berliner "Tagesspiegel". Es bleibe beim Nebeneinander von Subventionsabbau und Konsolidierung einerseits sowie höheren Ausgaben für Bildung, Forschung und Entwicklung andererseits. Ähnlich äußerten sich ihre Kollegin Krista Sager und Grünen-Chef Reinhard Bütikofer.