Insgesamt gehen die Verbrechen bundesweit zurück. Es gibt auch ein Minus bei Diebstählen.

Hamburg. In Deutschland wird weniger geschlagen, geprügelt und geraubt. Das erste Mal seit dem Jahr 1998 nimmt damit nach Informationen des Abendblatts die Gewaltkriminalität ab. Das ist die Tendenz, die sich aus ersten gesammelten Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS) der Bundesländer ergibt. Laut einer Aufstellung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) verzeichnen bis auf Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Saarland, die diese Zahlen noch nicht veröffentlicht haben, alle Bundesländer einen Rückgang. Am stärksten ist er bisher in Berlin mit einem Minus von 9,4 Prozent.

Doch auch insgesamt zeichnet sich eine rückläufige Entwicklung bei der Kriminalität ab. Das höchste Minus meldet bisher Brandenburg mit 7,7 Prozent. Nur Rheinland-Pfalz hat einen Anstieg der Gesamtkriminalität von 1,8 Prozent. In dieser Aufstellung fehlen noch die Zahlen von Bayern und dem Saarland. Die vollständige bundesweite PKS 2008 wird das Bundsinnenministerium veröffentlichen, wenn die Zahlen aller Bundesländer ausgewertet sind.

Nach der ersten Tendenz müssen die Menschen auch weniger Angst vor Diebstählen haben. Hier gibt es teilweise zweistellige Rückgänge in den Bundesländern. Spitzenreiter sind bisher Bremen (minus 10 Prozent) und Thüringen (minus 10,2 Prozent). "Das ist eine erfreuliche Entwicklung", sagt der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg. "Grund dafür ist einerseits die bessere Absicherung etwa durch Alarmanlagen und Wegfahrsperren und die gute Arbeit der Polizei." Allerdings dürfe man dabei nicht vergessen, dass sich die Diebstahlskriminalität immer mehr ins Internet verlagere. "Einfacher, als ein Autoradio zu klauen, ist der Betrug im Internet", sagte er dem Abendblatt.

Zurückhaltend zeigt er sich bei der Bewertung der sinkenden Gewaltkriminalität. Ob dies tatsächlich eine Umkehrung des Trends sei, müsse noch abgewartet und erforscht werden. "Bei Gewalt gegen Polizisten können wir noch keine Abnahme feststellen. Dort gibt es weiterhin Steigerungsraten."

Die Abnahme der Gewalttätigkeit fügt sich allerdings in einen Trend, den das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen in einer Ende März präsentierten Studie zur Jugendgewalt feststellte. Bei einer Befragung von mehr als 44 000 Schülern kam heraus, dass die Gewalt unter ihnen rückläufig ist. Die Quote der Jugendlichen, die im Jahr vor der Befragung eine Gewalttat begangen hatten, lag 1998/99 noch zwischen 17,3 und 24,9 Prozent, von 2005 bis 2008 nur noch zwischen 11,5 und 18,1 Prozent. Auf den Schulhöfen gab es weniger "Raufunfälle" mit Verletzungen. "Tatsächlich gibt es eine Gewaltdistanzierung", sagt Dirk Baier, der an der Studie mitgearbeitet hat.

Zudem sähen die Lehrer häufiger hin, weniger Eltern schlügen ihre Kinder. "Man könnte deswegen in der Tendenz sehen, dass auch Erwachsene die positive Entwicklung betrifft", sagt Baier. Der Zirkel der Gewalt werde immer häufiger durchbrochen. Damit könnte sich die abnehmende Gewaltbereitschaft weiter verstärken.