Herbert Wehner war der ungekrönte König der Pöbler im Bundestag: 58 Ordnungsrufe hat der SPD-Politiker erhalten. Doch auch in den vergangenen Jahren wurde ausgiebig zur Fäkalsprache gegriffen, hat der Journalist Günter Pursch in seinem neuen Buch festgestellt.

Berlin/Hamburg. 60 Jahre Bundesrepublik heißt auch 60 Jahre Bundestag und 60 Jahre Zwischenrufe in hitzigen Debatten oder an langweiligen Parlamentstagen. Unerreicht ist Herbert Wehner, der ungekrönte König unter den Pöblern im Bundestag: 58 Ordnungsrufe der Parlamentspräsidenten zwischen 1949 und 1982. Ottmar Schreiner (SPD), schafft mit 40 Ordnungsrufen Platz zwei vor dem Grünen Joschka Fischer mit zwölf. Der ebenfalls als Schimpfer verschriene Franz Josef Strauß (CSU) hat nur einen Ordnungsruf erhalten.

Das hat jetzt der Journalist Günter Pursch recherchiert für eine sorgsame gegliederte Liste der verbalen Ausfälle. "Das parlamentarische Schimpfbuch" (Herbig-Verlag) sammelt auf gut 300 Seiten, wie es im Untertitel heißt, "Stilblüten und Geistesblitze unserer Volksvertreter".

Man kann darin stöbern und die Schätze der Parlamentsgeschichte heben, die vielleicht besser im Verborgenen geblieben wären. Einer der deftigsten Zwischenrufer war lange vor seiner Amtszeit als Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Er hatte 1984 zu Bundestagspräsident Richard Stücklen gesagt: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch." Stücklen hatte einen Abgeordneten des Saales verwiesen, der Bundeskanzler Helmut Kohl heftig attackiert hatte.

Auch Friedrich Merz (CDU) und SPD-Kollege Joachim Poß fochten 1998 einen Strauß aus:

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse: "Herr Kollege Merz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Poß?"

Merz: "Das tue ich deswegen gerne, weil er dann aufhört zu schreien."

Poß: "Herr Kollege März, ich höre gern auf zu schreien, wenn Sie aufhören, Unwahrheiten zu sagen."

Weitere Leseproben:

Walter Hirche (FDP) im Jahr 2001 zu Jürgen Trittin (Grüne): "Seit Sie Nadelstreifen anhaben, müssen Sie auch auf der anderen Seite stehen."

Trittin: "Herr Hirche, Sie sollten sich eine andere Brille aufsetzen. Mein Anzug heute verfügt über keinen einzigen Streifen, auch keinen Nadelstreifen. Aber es freut mich, dass er ihnen gefällt."

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Jahr 2006 zu Anja Hajduk (Grüne): "Liebe Frau Hajduk, früher hätte es mir passieren können, dass der Hund des Nachbarn in meinem Garten einen fahren lässt und Sie die Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes angemahnt hätten."

Hans Apel (SPD) 1970 zu Franz Josef Strauß (CSU): "Ich bin vielleicht etwas erregt, denn ich werde heute Abend mit meiner Frau an den Wörthersee fahren. Sie erregen mich nicht. Sie sind überhaupt nicht mein Typ."

Ingrid Fischbach (CDU) im vergangenen Jahr: "Jetzt muss ich erst einen Schluck trinken. Herr Gysi hat mich doch erregt. Dass er das noch schafft, hätte ich nie gedacht."