Merkel bei Regierungserklärung zum zweiten Konjunkturpaket: „Es ist die bisher schwerste innenpolitische Entscheidung, die ich als Bundeskanzlerin zu treffen hatte.“ Hier geht es zu Fotogalerie mit Politiker-Zitaten.

Berlin. Sicheren Schritts geht Angela Merkel zur Regierungsbank. Die Haare elegant frisiert, dazu trägt sie den weich fallenden grauen Gehrock, den sie für wichtige Auftritte im Bundestag so schätzt. Noch ein kurzes Schwätzchen mit dem Wirtschaftsminister und dem Finanzminister, Händeschütteln mit FDP-Chef Guido Westerwelle, dann ist die Bundeskanzlerin bereit für die Regierungserklärung zum zweiten Konjunkturpaket.

Das nennt sie explizit nicht so, sondern "Pakt für Deutschland". Für den wirbt Merkel in aller Deutlichkeit. Das überragende Ziel: "Wir wollen diese Krise als Chance nutzen." Durch die Maßnahmen solle ein Modernisierungsschub eingeleitet werden. Das gelte auch für die Automobilbranche, die gemeinsam mit ihren Zulieferern ein "weltweit einmaliges Technologie- und Innovationscluster" darstelle. So begründet die CDU-Chefin die vielfach kritisierte Abwrackprämie, die den Kauf von umweltfreundlichen Neuwagen ankurbeln soll.

Gewohnt nüchtern klingt Merkel. Nur kurz lässt sie hinter die Fassade der Staatenlenkerin blicken, als sie betont, wie schwer es ihr gefallen sei, den Weg für die immense Neuverschuldung frei zu machen: "Es ist die bisher schwerste innenpolitische Entscheidung, die ich als Bundeskanzlerin zu treffen hatte." Auch Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier gibt sich in seiner Rede staatsmännisch: Es müsse verhindert werden, dass Entlassungswellen das Land erschüttern. Die Politik sei gefragt: "Mit Show und Mätzchen werden wir ganz sicher in diesem Jahr nicht durchkommen." Stattdessen fordert er, sich Gedanken über den politischen Rahmen zu machen, der Finanzkrisen für die Zukunft verhindern kann. Er würde sich wünschen, dass mehr Unternehmen dem Beispiel von Siemens folgten und in der Krise Arbeitsplatzgarantien gäben.

Für die Abwrackprämie von 2500 Euro kommen mehr als 16 Millionen ältere Autos in Deutschland infrage. Das Bundeskabinett setzte die Prämie mit der Billigung des zweiten Konjunkturpakets in Kraft. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) in Flensburg könnten theoretisch rund 29 Prozent des Fahrzeugbestandes von 55 Millionen Autos betroffen sein.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nannte die Abwrackprämie im ZDF eine "Aufkaufprämie für falsch hergestellte Autos". Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sprach von der Subventionierung einer Branche mit allen negativen, verzerrenden Wirkungen. Merkel betonte, dass Deutschland "im Kern gesund und stark" sei. Es gehe nun darum, "dass wir Vertrauen schaffen in den Konsum der Bevölkerung". Das Paket könne einen "Modernisierungsschub für das kommende Jahrzehnt" auslösen. Die Koalition habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht: "Es war die bisher schwerste innenpolitische Entscheidung, die ich als Bundeskanzlerin zu treffen hatte."

FDP-Chef Guido Westerwelle erneuerte die Kritik der Liberalen. Es handele sich nicht um ein Konjunkturpaket, sondern um ein "Schuldenpaket", sagte er. Die Deutschen müssten noch sehr lange für die aufgenommenen Schulden bezahlen. Westerwelle kündigte dennoch an, die Liberalen würden in Bundestag und Bundesrat "konstruktiv" über das Paket beraten. "Das, was an dem Paket sinnvoll ist, werden wir unterstützen, aber Sie können nicht von uns erwarten, dass wir ein Paket unterstützen, das in Wahrheit die Steuern nicht senkt", sagte er. Eine Blockade des Pakets im Bundesrat will die FDP aber vermeiden, auch wenn sie in Hessen mit an die Regierung käme und das Projekt dann stoppen könnte. Die Linken kritisierten das Paket als sozial unausgewogen. Es sei eine "bodenlose Unverschämtheit, dass Besserverdienende deutlich mehr entlastet" würden, sagte Partei- und Fraktionschef Oskar Lafontaine.

Die Grünen stellten die Wirksamkeit des Konjunkturpakets in Frage. Fraktionschef Fritz Kuhn nannte die Maßnahmen ein "Sammelsurium aus Einzelinteressen der Koalitionsparteien".