Der Besitz der Waffen war rechtmäßig – die Aufbewahrung nicht. Zumindest wurde eine der Waffen hat der Vater von Tim K. nicht ordnungsgemäß im Waffenschrank, sondern im Schlafzimmer aufbewahrt. Muss er sich nun vor Gericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten?

Karlsruhe. Nach dem Amoklauf von Winnenden wird eine Frage immer drängender: Kann der Vater des 17-jährigen Tim K. strafrechtlich für den Tod der Opfer verantwortlich gemacht werden - und zwar wegen fahrlässiger Tötung? Nach Angaben der Ermittler hatte der Sportschütze die Tatwaffe nicht im Tresor aufbewahrt, sondern im Schlafzimmer. Womit er zumindest eine Ordnungswidrigkeit begangen hat.

Klar ist: Wegen fahrlässiger Tötung kann sich auch strafbar machen, wer am Tatgeschehen nicht unmittelbar beteiligt ist. Vor knapp zwei Jahren war der Juniorchef einer Spedition wegen eines Unfalls im niederländischen Kerkrade verurteilt worden: Er hatte seinen Fahrer wissentlich mit defekten Bremsen losgeschickt - der Sattelschlepper raste in einen Supermarkt und tötete drei Menschen. Mit dem Fahrauftrag schuf der Juniorchef eine tödliche Gefahr - wie sie auch von einer herumliegenden Waffe ausgehen kann.

Die entscheidende Frage ist aber: Konnte der Vater vorhersehen, dass der Sohn mit der Beretta in der Hand losgeht und 15 Menschen niederschießt? Lag ein derart außergewöhnliches Verbrechen innerhalb - wie die Gerichte formulieren - des "Gefahrenkorridors", den er durch das Herumliegenlassen der Waffe eröffnet hat?

In der Rechtsprechung wird die Vorhersehbarkeit durchaus weit verstanden: Der Spediteur, der seine Fahrer zur ständigen Überschreitung der erlaubten Lenkzeiten treibt, muss mit tödlichen Unfällen rechnen, ebenso der Veranstalter eines Mountainbike-Rennens, der in punkto Sicherheit schlampt. Oder auch der Wirt, der dem betrunkenen Autofahrer kräftig nachschenkt.

Das könnte erklären, warum der Anwalt von Tim K.s Eltern vehement bestreitet, der Junge habe sich in "psychotherapeutischer Behandlung" befunden. Wäre der Zustand des Jungen erkennbar derart labil gewesen, dass der Vater mit dem fatalen Griff zur Waffe hätte rechnen müssen, dann könnte ihm eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung drohen.

Einen Präzedenzfall hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2003 entschieden. Eine psychiatrische Klinik hatte einem psychisch gestörten Gewaltverbrecher trotz erkennbarer Gewalttätigkeit Ausgang gewährt.

Der Mann tauchte unter, beging eine Serie von Raubüberfällen und brachte zwei Frauen um. Chef- und Oberarzt wurden zunächst freigesprochen, doch der BGH hob die Freisprüche auf und hielt ein Urteil wegen fahrlässiger Tötung für ziemlich naheliegend: Eine Vorhersehbarkeit der Taten sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn zwischen der "psychischen Störung und den von ihm begangenen Straftaten ein Zusammenhang besteht" - etwa, weil die Krankheit die Hemmschwelle des Täters herabgesetzt habe.