Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat mit ihrem Aufruf für den Einsatz von Ingenieuren an Schulen massive Kritik auf sich gezogen.

Berlin. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat mit ihrem Aufruf für den Einsatz von Ingenieuren an Schulen massive Kritik auf sich gezogen. Firmen-Mitarbeiter dürften den Unterricht höchstens ergänzen, seien im Kampf gegen Lehrermangel aber ungeeignet, hielten Wirtschafts- und Bildungsverbände der Ministerin entgegen.

Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Henry Tesch (CDU), sagte, der Ausbildungs-Missstand im pädagogischen Bereich sei mit Firmen-Mitarbeitern an Schulen nicht zu beheben. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Länder hätten versäumt, rechtzeitig genügend Lehrer auszubilden. Bundesweit fehlten etwa 20 000 Stellen, besonders in naturwissenschaftlichen Fächern. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sprach von einem "PR-Gag": "Die Idee der Bundesbildungsministerin scheint einer närrischen Büttenrede entsprungen zu sein."

Weniger skeptisch reagierten die Liberalen. "Unsere Schulen brauchen mehr Praxisbezug. Fachleute sollen keine Lehrer werden, aber sie können für die Wirtschaft, die Forschung oder meinetwegen für ihren Sport begeistern, wenn sie hin und wieder in die Schulen gehen", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel dem Hamburger Abendblatt. "Natürlich gehören gerade jetzt die besten Leute aus der Wirtschaft an ihren Arbeitsplatz in der Wirtschaft. Frau Schavan hat ziemlich wirklichkeitsfremd eine Idee transportiert, die aber im Grunde richtig ist", betonte er. "Solche Motivations- und Leistungsanreize sind gefragt. Wie ich weiß, kümmern sich darum auch schon die Wirtschaftsjunioren. Die großen Wirtschaftsverbände und die Kammern, Wissenschaftseinrichtungen und Forschungsinstitute oder Vereine sollten sich daran ein Beispiel nehmen und mitmachen. Auch Lehrern könnten Kurzpraktika in Betrieben nicht schaden", so Niebel. Auch Unionsbildungsexperte Uwe Schummer (CDU) unterstützte Schavan: Die vielen Unternehmer und Ingenieure, die selbst in der Ausbildung aktiv seien, hätten durchaus pädagogische Erfahrung.

Für den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ist Schavans Forderung hingegen nicht realisierbar. Es wäre unpraktikabel, "Ingenieure oder Naturwissenschaftler aus Betrieben ein Schulfach selbstständig über ein gesamtes Schuljahr hinweg unterrichten zu lassen", sagte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun den "Ruhr Nachrichten". Der Aufwand wäre neben der Arbeit im Betrieb schnell immens - "ganz abgesehen davon, dass die Unternehmen kaum auf ihre besten Leute verzichten können".

Schavan hatte an die Unternehmen appelliert, ihre Top-Mitarbeiter für den Unterricht freizustellen. Ingenieure könnten zwei Stunden wöchentlich Physik- oder Mathematikunterricht geben. Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Ludwig Eckinger, sprach von einem "Faschingsscherz". Er fürchte, dass "Top-Ingenieure als Laien in der Schule ins offene Messer rennen". Die Bundesarbeitsgemeinschaft "Schulewirtschaft" berichtete von mehr Engagement der Wirtschaft an Schulen. Geschäftsführerin Yvonne Kohlmann sagte, Unternehmen könnten ökonomisches Wissen darstellen, Einblicke geben und ein Stück Praxis an der Schule darstellen - "aber nicht Pädagogen ersetzen".