Ein Kita-Jahr soll künftig in allen Bundesländern beitragsfrei sein. Hamburg will Eltern weiter selbst entscheiden lassen.

Hamburg. Nach der Vorstellung der Integrationsstudie des Berlin-Instituts hat Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt konkrete Forderungen zur Verbesserung des deutschen Bildungssystems erhoben. "Der Kindergarten muss als erste Stufe des Bildungssystems für ein Jahr obligatorisch werden und beitragsfrei sein", sagte Hundt dem Hamburger Abendblatt. "Wir brauchen eine frühzeitige, intensive und kontinuierliche Sprachförderung mit einer regelmäßigen Feststellung der Fähigkeiten." Lehrer müssten in ihrer Ausbildung auf die individuellen Förderbedürfnisse der Schüler vorbereitet werden. Außerdem sei an den Schulen "eine zielgruppengenaue Berufsorientierung in enger Zusammenarbeit mit den Betrieben" erforderlich, um junge Menschen besser auf die Berufswelt vorzubereiten.

Hundt betonte: "Die Studie zeigt einmal mehr, dass Bildung die zentrale Voraussetzung für Integration ist." Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Integration hatte ermittelt, dass Menschen mit türkischen Wurzeln die am schlechtesten integrierte Gruppe von Zuwanderern in Deutschland sind. 30 Prozent von ihnen haben keinen Schulabschluss, nur 14 Prozent haben Abitur - nicht einmal halb so viele wie in der deutschen Bevölkerung. Einige Bundesländer bieten inzwischen das letzte Kindergartenjahr vor der Schule beitragsfrei an. Gestartet ist damit das Saarland bereits im Jahr 2000. Berlin, Rheinland-Pfalz, Hessen und Niedersachsen zogen in den vergangenen Jahren nach. In Hamburg wird das letzte Kindergartenjahr ab August 2009 kostenfrei angeboten. Darauf einigten sich CDU und GAL im Koalitionsvertrag. Auch in Schleswig-Holstein soll das letzte Kindergartenjahr mit Wirkung ab dem 1. August 2009 beitragsfrei sein.

Die von Hundt vorgeschlagene Kindergarten-Pflicht stößt in den Ländern aber auf Skepsis. Michael Voges (SPD), Staatsrat in der Hamburger Gesundheitsbehörde, sagte dem Hamburger Abendblatt: "Der Kindergarten muss nicht für alle verpflichtend sein, wir gehen in der Förderung gezielter vor. Außerdem halten wir eine Kita-Pflicht auch verfassungsrechtlich für bedenklich, da diese eventuell einen Eingriff in das Elternrecht bedeuten könnte." Auch die Landesbeauftragte für Migration und Integration in Rheinland-Pfalz, Maria Weber (SPD), sagte, sie halte nichts von einem verpflichtenden Kindergartenjahr: "Ich setze nicht auf Zwang. Man muss vielmehr die Vorteile des Kindergartens herausstellen", so Weber zum Abendblatt. Und den sehe sie eindeutig in der Bildung. Mit dem kostenlosen Kindergartenjahr habe das Land aber sehr gute Erfahrungen gemacht. "Bildung darf nicht am Geld scheitern", sagt sie. "Insbesondere bei sozial schwachen Familien darf der Kindergartenbeitrag kein Hinderungsgrund für einen Kindergartenbesuch sein." Für Kinder mit Migrationshintergrund gebe es zudem flächendeckende Sprachförderungsmaßnahmen.

Auch in Niedersachen ist man mit dem beitragsfreien Kindergartenjahr vor dem Hintergrund von Integrationsbemühungen zufrieden. "Sprache ist der Schlüssel zur Bildung. Dabei setzen wir zum einen auf das beitragsfreie Kindergartenjahr, zum anderen aber auch auf intensive Sprachförderung in den Kindertagesstätten", sagte Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) dem Abendblatt. "Unser Ziel ist es, den Bildungserfolg bei Kindern mit Migrationshintergrund durch frühe Förderung deutlich zu verbessern." Zu der von Hundt vorgeschlagenen Kindergartenpflicht wollte sie sich nicht äußern.