Mit teils schillerndem Personal, auch in der Rezession selbstbewusst herausgestelltem Ökokurs und deftigen Attacken gegen Schwarz und Gelb starten...

Dortmund. Mit teils schillerndem Personal, auch in der Rezession selbstbewusst herausgestelltem Ökokurs und deftigen Attacken gegen Schwarz und Gelb starten die Grünen in die Europawahl. Die bei vielen unter ferner liefen abgehandelte EU-Wahl Anfang Juni soll der kleinsten Oppositionskraft auch für die schwierige Bundestagswahl im September Auftrieb geben. In teils dramatischen Abstimmungs-Kämpfen wechselte der Dortmunder Parteitag am Wochenende bei der Listenaufstellung zu zwei Dritteln die grüne Europa-Truppe aus.

Satte Voten heimsen Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer und die Europaabgeordnete Rebecca Harms an der Spitze ein - sie sind allerdings ohne Gegenkandidaten angetreten. Ihre Ex-Parteichefin Angelika Beer schicken die 700 Delegierten dagegen ins Aus.

Das Hauen und Stechen im Kampf um als sicher geltende Tickets nach Straßburg für die Wahl am 7. Juni erreicht bei Platz acht den Höhepunkt. Gleich acht Männer treten an. Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz - 2005 im Streit aus der Grünen-Fraktion geschieden - schafft es. Er ruft: "Die Leute haben heute mehr Angst vor ihrem Anlageberater als vor al-Qaida." Die Begeisterung für den 59-Jährigen schwappt von der ostdeutschen Ecke langsam in den Saal über - einen zweiten Wahlgang meistert Schulz mit links. Während die Delegierten den altgedienten Agrarspezialisten Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf durchrasseln lassen, heben sie mehrere Jungpolitiker auf den Schild: Sven Giegold vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac sowie Barbara Lochbihler von Amnesty International, ebenso die 27-jährige Brandenburger Landeschefin Ska Keller, die zwei Jahre ältere Freiburgerin Franziska Brantner und den 26-jährigen Niedersachsen Jan Philipp Albrecht.

Interne Spannungen um die grüne Antwort auf die Rezession köcheln nur auf kleiner Flamme. Ob der erwünschte Radikalkurs gegen Wirtschafts-, Öko- und Armutskrise die umkämpften rot-grünen, aber auch bürgerlichen Wähler eher mitreißt oder abschreckt, steht noch in den Sternen. Das grüne "New Deal"-Projekt will alles besser machen. Kaum ein Redner, der nicht in neu entdecktem Öko-Amerikanismus schwelgt.

Zuvor hatten die Grünen ihr Europawahlprogramm verabschiedet. Darin erheben sie den Anspruch, "die" Europapartei schlechthin zu sein. "Die radikalen Europäer finden sich bei den Grünen", sagte Bütikofer. Angestrebt wird ein Politikwechsel, weg vom Neoliberalismus, hin zu einem sozialen und ökologischen Europa. Inhaltlich setzen sich die Grünen für ein neues Gesellschaftsmodell unter dem Slogan "Green New Deal" ein. Es soll eine umfassende Antwort auf die globale Wirtschafts-, Klima- und Hungerkrise liefern, indem es ökologische Verantwortung und soziale Gerechtigkeit verbindet.

Bei der Europawahl 2004 eroberten die Grünen mit 11,9 Prozent 13 Plätze. Eine Wiederholung dieses Erfolgs ist wenig wahrscheinlich. Für die Bundestagswahl hofft man noch auf eine "Ampel" mit einer bald Fuß fassenden SPD und der FDP - auch wenn die Vorzeichen eher auf Schwarz-Gelb stehen.