Bremen. Noch vor etlichen Jahren konnte die Enthüllung der Homosexualität eines Politikers einen Skandal auslösen. Heute ist das "überhaupt kein skandalträchtiges Thema mehr", sagt der Bremer Politologe Lothar Probst. Der Fall Schill belege das Gegenteil: "Wer heute versucht, Schwule zu erpressen oder zu diskriminieren, stellt sich selbst ins gesellschaftliche Abseits." Denn in Deutschland akzeptiere eine breite Mehrheit, "dass Homosexuelle selbstverständlich gleiche Rechte haben". Studien legten nahe, dass zwischen vier und zehn Prozent der Deutschen homosexuell sind. Die Schwulen- und Lesbenkultur gelte vielfach als schick, so Probst. "Und viele Politiker kennen ja auch das Wählerpotenzial der Szene." Dabei hätten es Unionspolitiker naturgemäß schwerer, doch habe auch innerhalb von CDU und CSU ein Umdenken eingesetzt, sagt der Wissenschaftler. Nach Ansicht des Vorsitzenden der Lesben und Schwulen in der SPD (Schwusos), Michael Engelmann, lehrt der Fall Schill, dass sich "Zwangs-Outing" nicht lohnt. "So weit sind wir inzwischen", sagt er. Andererseits sei es grundsätzlich besser, damit offen umzugehen - wie etwa Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und der Grünen-Politiker Volker Beck. Gerade in den vergangenen Jahren sei die Akzeptanz erheblich gewachsen: "Aus meiner Sicht hat die breite gesellschaftliche Debatte über homosexuelle Lebenspartnerschaften viel in Bewegung gebracht - das merken nun auch Konservative." Engelmann warnt indes davor, die Akzeptanz zu überschätzen. "Man darf sich nichts vormachen: Auf dem platten Land stellt sich die Lage ganz anders dar." Wer sich outen wolle, müsse sich klar machen: "Schwul sein ist nicht nur trendy und easy."