Der CDU-Wirtschaftsrat lobte die Kanzlerin für ihre Europapolitik, aber geht gleichzeitig mit ihr in Sachen Energiewende hart ins Gericht.

Berlin. Angela Merkel erlebt gerade anstrengende Tage, aber sie scheint guter Dinge. Ja, die Bundeskanzlerin kann sich sogar selbst auf den Arm nehmen - und Schmeichler dazu. "Es ist nur folgerichtig, dass Sie die Energiewende selbst in die Hand genommen haben", donnert Kurt Lauk, der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates auf der Jahrestagung seines Verbandes in einen großen, aber völlig überfüllten Saal. Da hebt die Kanzlerin die angesprochene Hand hoch und ballt sie lächelnd zur Faust - eine ironische Geste, die der Szene alles Heroische nimmt.

Dabei kann sich gerade Lauk ein bisschen Pathos durchaus leisten - denn der ehemalige Vorstand von Audi, Veba und Daimler ist mit seiner Kanzlerin doch für CDU-Verhältnisse ungewöhnlich kritisch ins Gericht gegangen. Noch unmittelbar vor Merkels Auftritt hat er eine für ihre Regierung enttäuschende Umfrage unter seinen Verbandsmitgliedern ironisch zusammengefasst: "100 Prozent Zustimmung im Wirtschaftsrat: 84 Prozent für Ihre Europapolitik, 16 Prozent für Ihre Energiepolitik." Der zweite, fast schon vernichtende Wert war schon vorher in die Medien gelangt: Nur noch eine Minderheit des CDU-nahen Verbandes glaubt, dass die Energiewende gut vorankommt.

Das ist schon ein außergewöhnlich mieses Zeugnis, ja, fast eine Misstrauenserklärung. Und auch in der Europapolitik, für die Lauk seine Kanzlerin wieder und wieder lobte, will der Wirtschaftsrat mehr von Merkel. Ihre Regierung solle ein Szenario für einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro erarbeiten, hatte Lauk schon am Vortag gefordert.

+++ Europa wappnet sich für Euro-Austritt Athens +++

Doch Merkel wäre nicht Merkel, würde sie auf solche Kritik oder Vorschläge direkt antworten. Sie verteilt vielmehr kleine Tritte gegen das Schienbein, etwa als sie Lauk rügt, sie könne nicht so lange reden, wie sie wolle, da er den Wirtschaftstag ausgerechnet parallel zur Fraktionssitzung geplant habe. Die Kanzlerin arbeitet lieber ihre eigene Agenda ab als die Kritik anderer. "Bei der Unterstützung der Energiewende ist noch Luft nach oben", erklärt Merkel lediglich, um dann ihre Standardrede zum Thema in leichter Variation vorzutragen. Immerhin, sie nimmt die Kritik des Wirtschaftsrates auf, indem sie vor "Energiekleinstaaterei" durch die eigensinnigen Pläne der Bundesländer warnt, und nennt es "demokratietheoretisch interessant", dass es bereits zu viele Nutznießer der Subventionen von Solarenergie zu geben scheine, um noch eine Reform dieser Subvention durchsetzen zu können.

Beim Thema Europa wird Merkel dann deutlicher. Sie warnt davor, bei den begonnenen Strukturreformen "auf halbem Wege stehen zu bleiben". Als Beispiel für gelungene Reformen spielt sie nicht nur auf die Agenda 2010 ihres Vorgängers Gerhard Schröder (SPD) an, sondern nennt auch die ost- und mitteleuropäischen Staaten, die eine "bewundernswerte" Leistung vollbracht hätten.

Während Lauk in seiner Vorrede kreditfinanzierte Wachstumsprogramme noch pauschal ablehnte (dies wäre wie "Feuer mit Benzin zu löschen"), verweist Merkel darauf, dass man nach der internationalen Finanzkrise sehr wohl die Verschuldung des Staates dramatisch erhöht habe, um deren Folgen zu mildern. Dies könne man nun aber nicht "zum zweiten Mal" tun.

Merkel wirbt dafür, dass Europa sich an Absprachen hält, und erhebt dabei auch die strauchelnden Griechen zum Präzedenzfall: "Die Frage, ob Griechenland sein Programm einhält oder nicht, ist auch die Frage, was in Europa überhaupt noch eingehalten wird", ruft sie. Dies kann man auch als Hinweis darauf lesen, dass die am Sonntag in Athen vielleicht aus der Parlamentswahl als Sieger hervorgehende Regierung aus Linken und Linksradikalen mit keinerlei Rabatt rechnen darf. Das gefällt den versammelten CDU-nahen Unternehmern und Managern sehr gut.

So gut, dass nicht alle hörten, dass die Kanzlerin in ihrer Rede zwar Euro-Bonds ablehnt, aber dies doch nicht so kategorisch tut wie vor ihr Lauk und im weiteren Verlauf der Tagung andere Teilnehmer. Vielmehr führt Merkel aus, in der Euro-Zone habe es vor der Finanzkrise ja bereits eine Angleichung der Finanzierungskosten für Staaten gegeben "quasi Euro-Bonds von alleine zu sehr niedrigen Zinsen".

Diese hätten aber zur Auseinanderentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit und zu Fehlinvestitionen geführt. Deshalb müsse Europa seine Haushalte sanieren und wettbewerbsfähig werden, so Merkel. "Gemeinsame Haftung und gemeinsame Kontrolle müssen in einer Hand liegen." Jetzt schon über Euro-Bonds zu reden, bedeute "das Pferd vom falschen Ende her aufzäumen". Sie sei zu gemeinsamem Handeln bereit, werde aber keinen Schritt machen, der "in eine noch größere Katastrophe" führe.

Merkel bedauert, dass es noch keine echte gemeinsame europäische Bankenaufsicht gebe und diese vielmehr immer noch in nationaler Hand liege. Auch deshalb hätte der europäische Stresstest für Banken die Probleme der spanischen Institute nicht ausreichend aufgezeigt. Der Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin, um den sie gerade mit der Opposition im Bundestag ringe, könne nur ein erster Schritt zu mehr Verbindlichkeit in Europa sein.