Im Syrien-Konflikt setzt die Kanzlerin auf Diplomatie und eine politische Lösung - noch. Von Russland erwartet sie mehr Engagement.

Berlin. Noch immer hallt das Entsetzen nach. Das Blutbad im syrischen Hula mit mehr als 100 Toten ist erst ein paar Tage her. Und der Ruf nach einem internationalen Militäreinsatz in Syrien wird lauter. Doch es herrscht auch Zurückhaltung und Skepsis gegenüber einer Intervention gegen Präsident Baschar al-Assad. Deutschland und Russland streben eine politische Lösung an. Beide setzten alles daran, um zu verhindern, dass es zu einem Bürgerkrieg kommt und noch mehr Menschen leiden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag beim Antrittsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Berlin. Der Plan des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan könne Ausgangspunkt sein.

Insbesondere im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen müsse mit aller Kraft daran gearbeitet werden, dass dieser Plan auch umgesetzt werden könne, sagte Merkel. Gegebenenfalls müssten ergänzende politische Aktivitäten entfaltet werden. Ob diese ein militärisches Vorgehen einschließen würden, ließ die Kanzlerin offen.

Die Deutschen zumindest haben sich gegen ein militärisches Eingreifen ausgesprochen. In einer Emnid-Umfrage für den Nachrichtensender N24 befürworten 23 Prozent einen Militärschlag gegen das Regime in Damaskus. 69 Prozent hingegen glauben noch an eine diplomatische Lösung.

Der ehemalige Uno-Generalsekretär Annan versucht derzeit, einen von ihm erarbeiteten Waffenstillstand zu retten, der einen Rückzug der syrischen Armee aus den besetzten Städten sowie Zugang humanitärer Organisationen einschließt.

Doch immer wieder gibt es Berichte, wonach Gegner des Regimes mit russischen Waffen beschossen oder getötet werden. Präsident Putin reagierte in Berlin ausweichend und versicherte nur, dass Russland keine Waffen an Syriens Regierung liefere, die in einem Bürgerkrieg zum Einsatz kommen könnten. "Im Großen und Ganzen glaube ich, dass eine politische Lösung gefunden werden kann." Nach dem Treffen mit Merkel wies er Vorwürfe zurück, wonach Moskau einseitige Unterstützung für das Regime von Assad leiste. Moskau unterstütze keine der Konfliktparteien. Putins Regierung werde aber weiterhin die Kontakte mit der syrischen Führung aufrechterhalten. Hintergrund ist die Ausweisung der syrischen Botschafter aus den USA und zahlreichen EU-Staaten. Die Mission Annans dürfe nicht scheitern, hob Putin hervor. Es müsse jetzt alles getan werden, um eine Eskalation der Gewalt zu verhindern.

Bei dem Angriff auf Hula waren Zivilisten regelrecht massakriert worden, darunter viele Kinder. Die meisten Opfer wurden aus nächster Nähe erschossen. Zu diesem Ergebnis kommt eine erste Untersuchung von Uno-Experten. Russland ist einer der letzten Verbündeten des weltweit nahezu isolierten syrischen Regimes. Im Uno-Sicherheitsrat hatte Russland wiederholt ein schärferes Vorgehen gegen Damaskus verhindert. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte einen sofortigen Stopp russischer Waffenlieferungen nach Syrien.

+++ Putin und Merkel gehen den diplomatischen Weg +++

Nach dem Treffen mit Merkel wollte Putin in Paris den neuen französischen Präsidenten François Hollande treffen. Dieser schloss eine militärische Intervention in Syrien nicht aus. Voraussetzung sei allerdings die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht und ein Mandat des Sicherheitsrates.

+++ Militärintervention in Syrien: Frankreich bereit, USA nicht +++

Bei Putins Antrittsbesuch ging es nicht nur um die heikle Situation in Syrien. Es gab gegenseitiges Lob. Merkel hatte Putin zuvor mit militärischen Ehren im Kanzleramt empfangen. Beide begrüßten sich mit Wangenküssen. Vor allem die wirtschaftlichen Beziehungen entwickelten sich hervorragend, hoben sie hervor. Die gelte nicht nur für die Modernisierung der russischen Industrie, sondern auch für die Kooperation im Rohstoffbereich, wie die Erdgaspipeline Nordstream zeige, sagte Merkel. Allein von 2010 auf 2011 habe das Handelsvolumen mit Russland um 29 Prozent zugenommen. Auf der anderen Seite sind mehr als 6000 deutsche Unternehmen mit Tochterfirmen und Repräsentanzen in Russland vertreten.

Doch die Partnerschaft zwischen Deutschland, der EU und Russland hat Brüche erlitten. Nicht nur durch Russlands Haltung im Syrien-Konflikt. Ähnlich im Fall Iran: Auch hier schwächt Russland den internationalen Druck gegen Präsident Mahmud Ahmadinedschad ab. Merkel mahnte bei dem Treffen auch demokratische Reformen in Russland an. Die Wiederwahl Putins und das damit verbundene harte Vorgehen gegen die Opposition hatte im März scharfe Kritik an Putins Politik laut werden lassen. Vor der russischen Botschaft in Berlin demonstrierten während Putins Besuch rund 30 Menschen. Sie forderten die Freilassung aller politischen Gefangenen.