Troika fordert europäisches Wachstumspaket, bevor Kanzlerin Schwenk in Sparpolitik verkündet

Berlin. In Abwandlung eines Sprichwortes ließe sich sagen, die Genossen wollten den Wurm schon früh fangen: Am Dienstag hatte die SPD-Troika bereits um 9 Uhr zur Pressekonferenz in Berlin geladen. Es galt, europapolitische Pflöcke einzuschlagen, bevor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den neuen französischen Präsidenten François Hollande empfing.

Der frühe Auftritt von Parteichef Sigmar Gabriel, dem Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück vor der Bundespressekonferenz war sorgfältig platziert. Durch die Wahlsiege des Sozialisten Hollande und der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fühlt sich die SPD gestärkt. Die Europapolitik "der kleinen Schritte" von Merkel und dem abgewählten Nicolas Sarkozy sei auf "ganzer Strecke gescheitert", ätzte Gabriel in Richtung der Kanzlerin. Steinmeier geißelte die "nackten Sparaufrufe" der Bundesregierung, und Steinbrück sah das europäische Projekt insgesamt in Gefahr. "Not frisst Demokratie", warnte er vor einer zunehmend anti-europäischen Stimmung.

Bereits bisher hat sich die Kanzlerin bei allen wichtigen Entscheidungen in der Europapolitik mit den Sozialdemokraten abgestimmt. Und mit Hollande sieht die SPD nun einen weiteren Bundesgenossen mit am Verhandlungstisch, an dem Merkel nicht vorbei kann. Bevor aber die Kanzlerin mal wieder einen Schwenk verkündet, diesmal in ihrer Sparpolitik, wollten die Genossen selbst die Karten auf den Tisch legen.

Hollande lehnt den Fiskalpakt zur Begrenzung der Schulden in der Euro-Zone in seiner bisherigen Form ab. Der Sozialist will ihn durch einen Wachstumspakt ergänzen. Das wollen die Sozialdemokraten auch und sie ahnen, dass die Kanzlerin das auch bald will. Steinmeier und Steinbrück präsentierten also ein fünfseitiges Positionspapier, in dem die SPD europäische Programme für mehr Wachstum und gegen die Jugendarbeitslosigkeit verlangt. Finanziert werden solle dies durch 232 Milliarden Euro verfügbare Mittel aus dem EU-Strukturfonds, einer Finanztransaktionssteuer und Kredite der europäischen Investitionsbank. Erforderlich sei zudem die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken sowie eine europäische Bankenaufsicht.

Und wer soll nun Kanzlerkandidat der SPD werden? "Bei Frau Merkel wird nur Frau Merkel übrig bleiben", bei den Sozialdemokraten gebe es dagegen "eine ganze Reihe kluger Köpfe", antwortete Gabriel und nannte auch Wahlsiegerin Kraft und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Erst mal gehe es aber jetzt um Inhalte. Dann merkte Gabriel, dass er längere Zeit ganz alleine gesprochen hatte. Man solle doch auch mal die Herren neben ihm was fragen. Steinbrück lächelte - etwas gequält.