Nach dem Wahlsieg in NRW herrscht bei ihnen Wechselstimmung. Ungelöst bleibt die Kanzlerfrage

Berlin/Düsseldorf. Der Triumph in Nordrhein-Westfalen beflügelt rot-grüne Hoffnungen auf einen Machtwechsel im Bund. Bei der SPD dürfte Wahlsiegerin Hannelore Kraft dabei eine Rolle in der Kanzlerkandidaten-Debatte spielen. Bei der Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland sicherten sich SPD (39,1 Prozent) und Grüne (11,3) nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis eine klare Mehrheit. Bisher hatte es nur für eine Minderheitsregierung gereicht. Die CDU (26,3) stürzte auf ein Rekordtief im Land. Die bundesweit schwächelnde FDP (8,6) blieb gestärkt im Landtag. Die Linke (2,5) scheiterte klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Der Piratenpartei (7,8) gelang der Sprung ins vierte Landesparlament. Rot-Grün hat damit eine Mehrheit von 128 Sitzen gegen 109 der Opposition.

Nach Ansicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Landtagswahl das politische Klima hin zu Rot-Grün verändert. Wahlgewinnerin Kraft forderte, Verlässlichkeit müsse zum SPD-Markenzeichen werden. Generalsekretärin Andrea Nahles kündigte an, die SPD werde im Schulterschluss mit den Grünen für einen Machtwechsel kämpfen.

Die Grünen wollen aus dem Erfolg in NRW eine Initialzündung für Rot-Grün im Bund machen. Parteichefin Claudia Roth sagte: "Was in Nordrhein-Westfalen möglich ist: dass es zu Zweierkonstellationen kommt, zu rot-grünen Bündnissen - warum soll das nicht auch im Bund möglich sein?"

Gabriel und Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier halten am Fahrplan für die SPD-Kanzlerkandidatenkür mit einer Entscheidung spätestens Anfang 2013 fest. Gabriel rechnet nicht mit Krafts Kandidatur: "Wer sie kennt, weiß, dass sie das nicht machen wird. Trotzdem ist sie mit so einem Ergebnis eine unglaublich wichtige Spitzenpolitikerin, auch für alles, was in Berlin passiert." Krafts größtes Pfund sei die Glaubwürdigkeit. Sie habe gesagt, sie bleibe in NRW.

Kraft wiederholte das gestern. "Ich bleibe in Nordrhein-Westfalen, bin trotzdem in der Bundes-SPD mit dabei und versuche dort auch wichtige Kurse zu setzen und unsere Erfahrung einzubringen", sagte in der ZDF-Sendung "Was nun, Frau Kraft?". Auf die Frage, ob sie nach ihrem Wahlsieg im Wettstreit um die Kür des SPD-Kanzlerkandidaten nicht auch den Hut in den Ring werfen wolle, antwortete sie aber ausweichend: "Es geht jetzt um Inhalte, und Personalentscheidungen lenken aus meiner Sicht nur ab. Wir müssen rechtzeitig vor der Wahl entscheiden, und das werden wir tun." Die SPD habe mit Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier "im Moment drei gute Männer" im Kandidatenrennen - und die Entscheidung werde gemeinsam wie vereinbart Anfang nächsten Jahres getroffen.

Entscheidend ist nach den Worten von Kraft, "dass wir ein gutes Programm haben und dass der Kandidat oder die Kandidatin, die es dann wird, auch dieses Programm wirklich zu 100 Prozent vertritt. Und dann hinterher dafür steht, das es auch umgesetzt wird." Dies sei auch der Grund für den Erfolg der Sozialdemokraten in NRW gewesen: In den 20 Monaten ihrer Regierungszeit habe die SPD gezeigt: "Wir halten das, was wir versprechen."

In Düsseldorf treiben SPD und Grüne zügig die Bildung einer neuen Koalition voran. "Wir wollen in dieser Woche mit Koalitionsverhandlungen beginnen", sagte Grünen-Landeschefin Monika Düker. Mit der SPD sei aber noch kein Fahrplan vereinbart worden. "Wir wollen vor der Sommerpause fertig sein", betonte SPD-Fraktionschef Norbert Römer. Düker sagte, ihre Partei wolle weiter drei Minister im Kabinett stellen.