Anders als die Fraktions- und Parteiführung wollen die Bundestagsabgeordneten der SPD die erweiterte EU-Mission vor Somalia ablehnen.

Berlin. Die Spitzen der SPD hatten sich die heutige Abstimmung zur Ausweitung des Anti-Piraten-Einsatzes vor Somalia anders vorgestellt: Enthalten sollte sich die Fraktion nach dem Willen ihres Chefs Frank-Walter Steinmeier, weil das veränderte EU-weite "Atalanta"-Mandat vorsieht, dass Bundeswehrsoldaten Piraten und deren Ausrüstung künftig auch am Strand bis hin zu einer Küstenentfernung von zwei Kilometern bekämpfen können. Mit der Enthaltung im Plenum wollte Steinmeier klarstellen, dass die SPD die Erneuerung des Mandats für zu risikoreich hält, aber grundsätzlich hinter dem Einsatz steht.

Staatstragend sollte also die SPD-Fraktion agieren und nicht die Oppositionskarte um jeden Preis ausspielen. Daraus wird nichts. In einer internen Abstimmung plädierte die Mehrheit der Sozialdemokraten für die Ablehnung des Mandats - eine herbe Schlappe nicht nur für Steinmeier. Auch Parteichef Sigmar Gabriel, Ex-Finanzminister Peer Steinbrück und Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann hatten für eine Enthaltung geworben.

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Gabriel sagte beschwichtigend, das sei "keine Abstimmung gegen den Fraktionsvorsitzenden, sondern für den Ausstieg aus dem ,Atalanta'-Projekt" gewesen. In der Fraktion waren jedoch auch andere Töne zu hören. Viele Abgeordnete wünschten sich gegenüber der Bundesregierung mehr Abgrenzung, mehr "klare Kante", hieß es.

Möglicherweise könnte die interne Abstimmung auch ein Stimmungstest gewesen sein, der auf eine ablehnende Haltung bei der noch vor der Sommerpause folgenden Abstimmung zum EU-Fiskalpakt hindeutet.

Davon wollte Oppermann allerdings nichts wissen: Er stellte klar, dass er nicht mit einem ähnlichen Aufbegehren der SPD-Abgeordneten in der Debatte über den Fiskalpakt rechnet. Die SPD werde dort weiter Verantwortung und Kritik zeigen, wie es sich für eine Partei gehöre, "die in 16 Monaten die Regierung stellen will". Außerdem sei es nicht so, "dass es an eindeutiger Kritik an der Bundesregierung fehlt". Ob es bei der "Atalanta"-Entscheidung eine Enthaltung oder ein Nein gebe, sei "eine absolut untergeordnete Nebenfrage". In der SPD gebe es "99 Prozent Übereinstimmung", was den Einsatz zur Sicherung der Schifffahrtswege im Indischen Ozean angehe. Die Erweiterung auf den Küstenstreifen sei aber nicht verantwortbar. Sie berge das Risiko einer Eskalation, weil Zivilisten verletzt werden könnten. Und was die SPD-interne Stimmung zum Fiskalpakt angehe: Diesbezügliche Fragen werde man sachlich klären, sagte er und schloss EU-kritische Tendenzen klar aus: "Da steht keine Stilfrage im Vordergrund."

Zur Stilfrage wird jedenfalls die heutige Bundestagssitzung. Auch die Grünen wollten in Absprache mit der SPD das neue Anti-Piraten-Mandat mit einer Enthaltung, aber auf keinen Fall mit einem Nein quittieren.

Rot-Grün also uneins? Für die Regierungsseite ein gefundenes Fressen: FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sprach von einer klaren Niederlage für Steinmeier. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, sagte, es sei kein Zufall, dass die SPD hier genau in der Woche vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen aussteige. Tatsächlich war das von Union und SPD in der Großen Koalition auf den Weg gebrachte "Atalanta"-Mandat von den Sozialdemokraten seit Jahren mit großer Mehrheit unterstützt worden.

Die schwarz-gelbe Mehrheit steht aber auch ohne die SPD. Die CDU/CSU-Abgeordneten gaben in der Probeabstimmung ein einhelliges Votum ab, in der FDP-Fraktion bat nur ein Abgeordneter um Bedenkzeit.

Der Hamburger FDP-Verteidigungspolitiker Burkhardt Müller-Sönksen warf der SPD vor, mit ihrem Verhalten das Leben der Seeleute vor Somalia zu gefährden. "Während in Hamburg der in jeder Hinsicht unzuständige SPD-Innensenator Michael Neumann für das neue Mandat wirbt, lehnen seine Parteifreunde es hier in Berlin ab. Diese Doppelzüngigkeit der SPD zeigt ein weiteres Mal, dass nur die schwarz-gelbe Koalition verlässliche Politik für die maritime Wirtschaft macht", sagte Müller-Sönksen dem Abendblatt.

"Wer heute dem Mandat nicht zustimmt, gefährdet auf unnötige Weise das Leben der Seeleute. Die Pirateriebekämpfung ist eben nicht nur eine Frage wirtschaftlicher Interessen, sondern vor allem stehen wir in der Verantwortung, für den Schutz der Besatzungen Sorge zu tragen", sagte er weiter.

Müller-Sönksen, der heute im Plenum zu dem Mandat sprechen wird, betonte, dass das Problem Piraterie nicht allein militärisch gelöst werden könne. "Wir setzen daher auf verstärkte Kontrolle der illegalen Geldströme in der Region und auf den weiteren Aufbau der somalischen Polizei und Justiz", sagte der FDP-Politiker.