Der Parteichef der Grünen Cem Özdemir will die Dänen-Ampel in Schleswig-Holstein und verspricht im Abendblatt-Interveiw Stabilität.

Berlin. Die Grünen haben leicht zugelegt und können mitregieren. Der Parteichef setzt auf eine Koalition mit der SPD und dem SSW.

Hamburger Abendblatt : Herr Özdemir, in Schleswig-Holstein können die Grünen mit SPD und SSW mit nur einer Stimme Mehrheit eine Dänen-Ampel eingehen. Warum gehen Sie das Risiko ein?

Cem Özdemir: Entscheidend ist, dass die Inhalte stimmen. Dann kann man auch mit einer knappen Mehrheit regieren. Mit SPD und dem SSW sind die inhaltlichen Überschneidungen am größten. Und wir haben schon in der Opposition gut mit dem SSW zusammengearbeitet. Im Übrigen: Auch Schwarz-Gelb hatte in Schleswig-Holstein nur eine Stimme Mehrheit. Jetzt reden wir erst einmal, dann sehen wir, ob es eine Basis für eine gemeinsame Regierung gibt.

Denken Sie dieser Tage auch an das politische Ende von Heide Simonis?

Özdemir: Bei Heide Simonis hatten wir 2005 eine andere Situation in der SPD, die zersplittert war. Damals ging es auch um eine Tolerierung durch den SSW, nicht um eine Koalition. Man kann die Lage damals nicht mit heute vergleichen.

Der einstige Heide-Mörder könnte auch zum Torsten-Mörder werden.

Özdemir: Die SPD hat sich gut berappelt in Schleswig-Holstein, auch wenn sie weit unter ihrem Wahlziel geblieben ist. Wir werden unseren Beitrag zur Stabilität leisten. Sollte es zu einer Koalition kommen, dann werden Grüne, SPD und der SSW in Kiel eine gute Politik machen, die deshalb auch so mancher Oppositionspolitiker unterstützen wird. Das war in Nordrhein-Westfalen so und wird dann auch im Norden so sein.

Sehen Sie noch Chancen für eine Jamaika- oder Ampel-Koalition?

Özdemir: Uns geht es nicht um arithmetische Mehrheiten. Es geht um Inhalte und den Wählerwillen. Klar, man könnte sagen, der Kubicki macht alles mit. Da mag was dran sein. Aber wir werden unsere Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen. Wir haben dafür gekämpft, dass Schwarz und Gelb in der Opposition landen. Robert Habeck hat in Schleswig-Holstein deshalb zu Recht klar gemacht, dass die FDP der letzte Koalitionspartner ist, über den wir nachdenken.

Auch im Bund bräuchte Rot-Grün derzeit einen Partner. Wer kann das sein?

Özdemir: Seit Schleswig-Holstein dürfte allen klar sein: Die Bundestagswahl ist offen. Es geht nicht mehr darum, welcher SPD-Politiker Vizekanzler unter Merkel wird. Wir wollen und können 2013 als starke Grüne den Regierungswechsel mit der SPD schaffen.

Wurde in Frankreich und Griechenland der europäische Sparkurs abgestraft?

Özdemir: Die Schuldenlage ändert sich nicht durch die Wahlen. Es wird weiter darauf ankommen zu konsolidieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, aber wir können auch nicht die Augen vor der hohen Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen Ländern verschließen, genauso brauchen wir in Deutschland endlich einen gesetzlichen Mindestlohn. Merkel muss ihren Kurs ändern und für Wachstum in Europa sorgen. Sonst kippen uns reihenweise Demokratien um. Nach Ungarn haben wir mit Griechenland ein weiteres Land, das für Mehrheiten extreme Parteien braucht. Wenn das so weitergeht, wird es ungemütlich in Europa.

Was wird in Europa jetzt anders ?

Özdemir: Alle Länder brauchen solide Einnahmen, und dafür braucht man Wertschöpfung. Die EU kann eine Menge machen, etwa über Fördermittel für nachhaltiges Wachstum, ohne dass die Notenpresse angeworfen werden muss. Schulden sollten nicht mit neuen Schulden bekämpft werden. Ich rate Frau Merkel und Herrn Hollande dringend, mit Herrn Tusk das Weimarer Dreieck zu reaktivieren. Wenn Deutschland, Frankreich und Polen sich einig sind, wohin die Reise geht, dann ist das die halbe Miete für Europa.