Hoffnung auf eine baldige Freilassung der ehemaligen ukrainischen Regierungschefin ist gering

Berlin/Kiew. Im Fall der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko gibt es neue Bewegung: Die 51-Jährige, die an einem schweren Bandscheibenvorfall leidet, will sich nach offiziellen Angaben auf Rat deutscher Ärzte nun doch in ihrer Heimat behandeln lassen. Timoschenko, die sich seit zwei Wochen im Hungerstreik befindet, wurde am Freitag in der Haft erneut von deutschen Ärzten untersucht. Der Chef der Berliner Charité-Klinik, Karl Max Einhäupl, machte sich ein Bild von Timoschenkos Gesundheitszustand. Begleitet wurde er von deutschen Diplomaten.

Einhäupl gab keine Stellungnahme ab. Nach Angaben von Timoschenkos Tochter Jewgenija hat sich ihr Befinden in den vergangenen Tagen jedoch weiter verschlechtert. Das Auswärtige Amt nannte ihren Zustand "besorgniserregend". "Hier Lösungen zu erreichen ist kompliziert und wird auch sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen", sagte Sprecher Andreas Peschke.

Die ukrainische Justiz wies unterdessen Vorwürfe von Julia Timoschenko zurück, dass im Gefängnis in Charkow Gewalt gegen sie angewendet worden sei. Gerichtsmediziner seien zum Schluss gekommen, dass die Blutergüsse am Körper der Oppositionsführerin nicht am 20. April bei einem erzwungenen Transport in eine Klinik entstanden sein könnten. Das sagte Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka. Er deutete an, dass sich die 51-Jährige die Verletzungen selbst beigebracht haben könnte. Sie hatte aus der Zelle heraus Fotos der Blutergüsse veröffentlichen lassen und die Behörden für die Verletzungen verantwortlich gemacht.

Weiterhin offen ist, ob Kanzlerin Angela Merkel (CDU) oder andere Minister zur bevorstehenden Fußball-EM in die Ukraine reisen werden. Vize-Regierungssprecher Georg Streiter bekräftigte, dies werde "relativ kurzfristig" entschieden. Die EU-Kommission hatte entschieden, EM-Spielen in der Ukraine fernzubleiben. "Im Übrigen geht es der Bundeskanzlerin nicht um Frau Timoschenko allein", sagte Streiter weiter. "Sondern die Bundesregierung hat den Eindruck, dass die Ukraine das Strafrecht missbraucht, um Oppositionelle kaltzustellen." Rechtsstaatlichkeit sei aber eine "Grundvoraussetzung" für eine Annäherung an die EU.

Timoschenko, Gegnerin von Präsident Viktor Janukowitsch, war im vergangenen Jahr in einem umstrittenen Prozess wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Wegen des Vorgehens gegen Oppositionelle hat die Europäische Union (EU) auch die geplante Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine auf Eis gelegt. Der Vizepräsident der Partei von Präsident Janukowitsch drohte Deutschland deshalb mit wirtschaftlichen Folgen. Die Ukraine ist mit einem Volumen von 7,2 Milliarden Euro für die Bundesrepublik der wichtigste osteuropäische Handelspartner hinter Russland.