Tankstellen in Deutschland sollen künftig Auskunft geben, wenn sie Preise für Benzin anpassen. Fragen und Antworten auf abendblatt.de.

Berlin. Die Bundesregierung will den Mineralölkonzernen, aber auch den Strom- und Gasversorgern bei der Preisgestaltung schärfer auf die Finger schauen. Dazu beschloss das Kabinett am Mittwoch einen Gesetzentwurf, der dem Bundeskartellamt die Möglichkeit geben soll, die Preisgestaltung von Aral, Shell, E.on, RWE und Co. deutlich besser als bisher zu überwachen.

„Künftig wird das Kartellamt schneller sein, effektiver sein, wenn es darum geht, Preismissbrauch aufzudecken“, sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler in Berlin. Der FDP-Politiker betonte, er könne den Ärger der Autofahrer über die Benzinpreisentwicklung verstehen: „Bisher ist der Wettbewerb an den Tankstellen nur sehr unzureichend.“

Eine neu eingerichtete „Markttransparenzstelle“ beim Bundeskartellamt soll deshalb künftig regelmäßig die Ein- und Verkaufspreise für Benzin und Diesel erheben und auswerten. Dies soll die Aufdeckung und Sanktionierung von Kartellrechtsverstößen erleichtern.

Ein Sprecher der Wettbewerbsbehörde warnte aber im dapd-Gespräch vor zu großen Erwartungen. „Das Bundeskartellamt ist keine Behörde, die auf Knopfdruck Preise senken kann und wird das auch in Zukunft nicht sein.“ Ziel sei es vor allem, auf Dauer die wettbewerblichen Strukturen zu verbessern.

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, sagte im RBB-Inforadio, mit den neuen Daten werde es für die Wettbewerbshüter möglicherweise einfacher, für mehr Wettbewerb zwischen den freien Tankstellen und den großen Konzernen zu sorgen.

Der ADAC begrüßte den Beschluss der Bundesregierung. Er gebe dem Bundeskartellamt weitere Möglichkeiten, Missbrauch und wettbewerbswidrige Praktiken auf dem Kraftstoffmarkt aufzudecken. Für Benzin mussten die Autofahrer nach Angaben des Automobilclubs im vergangenem Monat so viel wie noch nie bezahlen.

Ein Liter Super E10 kostete laut ADAC im April im bundesweiten Durchschnitt 1,656 Euro und damit einen Cent mehr als im März. Diesel verbilligte sich dagegen etwas. Hier kostete ein Liter im Monatsmittel 1,506 Euro, 1,6 Cent weniger als im Vormonat. Der Preis für den Liter Super E10 erreichte am 18. April mit 1,674 Euro einen neuen Höchststand. Aktuell liege der E10-Preis im Schnitt bei 1,635 Euro, teilte der ADAC weiter mit.

Scharfe Kritik am Gesetzentwurf kam allerdings vom Dachverband Mittelständische Energiewirtschaft (MEW), der von einem „Schnellschuss mit verheerenden Auswirkungen für den Mittelstand“ sprach. Das Gesetz werde weder die Preise senken noch Preisschwankungen verhindern, sondern belaste nur den Mittelstand mit zusätzlichen Kosten und schwäche ihn so im Wettbewerb gegen die großen der Branche, sagte MEW-Geschäftsführer Steffen Dagger.

Doch soll der Gesetzentwurf nicht nur die Kontrolle der Benzinpreise verschärfen, sondern dem Kartellamt auch mehr Einblick in das Zustandekommen der Großhandelspreise für Strom und Gas geben. Die bestehende Aufsicht reiche nicht aus, um eine unzulässige Einflussnahme der Stromkonzerne auf den Preis wirkungsvoll und schnell aufdecken und sanktionieren zu können, hieß es in Berlin.

+++Keine Preisbindung – Eingriffe sind "Unsinn"+++

+++Rösler fordert strengere Kontrolle der Mineralölkonzerne+++

Ein riesiges neues Meldesystem soll helfen, die mehrmals täglichen Preissprünge an Tankstellen stärker unter die Lupe zu nehmen. Die Politik schürt Hoffnung, dass so der Benzinpreis in den Griff zu bekommen sei. Die Mineralölbranche sieht das anders.

Was soll die Meldebehörde tun?

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch neben einer Überwachung der Strom- und Gasgeschäfte auch die Einrichtung einer „Markttransparenzstelle“ für den Mineralölsektor beschlossen. Künftig sollen Monat für Monat Millionen Daten dorthin gemeldet werden – und zwar nicht einfach nur Preiserhöhungen. Auch Händler und Raffinerien müssen ihre Preise, zu denen sie Rohöl oder Kraftstoffe ein- und verkaufen, offenlegen. Zudem sollen alle gehandelten Mengen und deren Preise gemeldet werden. Die beim Bundeskartellamt angesiedelte Stelle soll so unbotmäßige Erhöhungen und Preisexzesse erkennen und ahnden können, erklärt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).

Kann das die Preissprünge eindämmen?

Wohl kaum, denn der Preis an der Tankstelle ist von der Politik kaum zu beeinflussen. Szenarien wie ein möglicher Angriff Israels auf den Iran und sinkende Förderquoten treiben den Ölpreis – das kann eine neue Behörde nicht beeinflussen. Die Gewinnmargen liegen nach Angaben der Ölbranche meist nur bei einem Cent pro Liter – allerdings verdient sie auch gut mit ihren Raffinerien. Weil die Marktführer den Großteil der Produktionskette unter ihrer Kontrolle haben, gibt es viele Möglichkeiten, Gewinne einzustreichen. Viele Tankstellen verdienen das meiste Geld inzwischen mit ihrem Shopgeschäft. Der Auto Club Europa sieht ein Wahlkampfmanöver vor den anstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, aber keine Initiative für mehr Verbraucherschutz und fairen Preiswettbewerb an Tankstellen.

Gab es in der Vergangenheit Indizien für einen Missbrauch?

Das Bundeskartellamt hatte 2011 eine dreijährige Marktanalyse abgeschlossen – und konnte zumindest keine illegalen Preisabsprachen nachweisen. Zudem ist fraglich, was bei einem Missbrauch passieren soll. Derzeit gehen die Wettbewerbshüter gegen mehrere Mineralölkonzerne vor, weil sie freien Tankstellen Kraftstoff teurer verkauft haben sollen als eigenen Tankstellen. Aber den Nachweis zu führen ist sehr schwierig, und oft geht es nur um Einzelfälle. Gleichwohl: So wird der Druck erhöht, nicht über Gebühr Preise zu erhöhen.

+++Teurer Sprit belastet Wirtschaft - Benzinpreis auf Rekordhoch+++

Die Benzinbranche spricht von einem „Bürokratiemonster“ – zu Recht?

Es ist bisher unklar, wie viele Benzin-Kontrolleure in der neuen Behörde beschäftigt werden sollen. Nach Angaben aus der Branche müssten mehrere hundert Leute dort arbeiten, um die ganzen Daten verarbeiten zu können. Aus der ganzen Kette (Weltmarktnotierung für Rohöl, Einkauf, Transport, Raffinerien, Tankstellen) würden pro Tag Hunderttausende Daten einlaufen. Selbst freie Tankstellen, die die Regierung im Kampf gegen das Oligopol von BP/Aral, ExxonMobil, ConocoPhillips (Jet), Shell und Total stärken will, kritisieren die Meldebehörde als Planwirtschaft. Der Grünen-Energiepolitiker Hans-Josef Fell wirft der Regierung Blendwerk vor: „Statt endlich eine offensive Politik „Weg vom Erdöl“ anzugehen, erhöht die Bundesregierung mit einer neuen Behörde lediglich die Bürokratie.“

Mit Material von dapd und dpa