Ärzte fordern höhere Honorare, bessere Arbeitsbedingungen und attackieren die Krankenkassen

Hamburg. Kurz vor Beginn des 114. Deutschen Ärztetages in Kiel hat der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, einen umfassenden Forderungskatalog an die Politik und Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) aufgestellt. Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt sagte Montgomery: "Ganz oben auf der Agenda steht die Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen der Ärzte. Wir müssen den Arztmangel, der zu einer flächendeckenden Seuche wird, bekämpfen und die Abwanderung junger hoch qualifizierter Ärztinnen und Ärzte ins Ausland stoppen."

Montgomery sagte: "Wir brauchen schnell eine neue Gebührenordnung für Ärzte - die alte stammt noch aus den 80er-Jahren." Die "alles erstickende Bürokratie" müsse bekämpft werden. Seit Jahren beklagen Klinikärzte eine Überlastung und zu wenig Zeit für den einzelnen Patienten. Montgomery weiter: "Wer wirklich etwas ändern will, kommt an einer besseren finanziellen Ausstattung der Medizin nicht vorbei."

In dasselbe Lied stimmen die gut 150 000 niedergelassenen Mediziner ein. Sie fordern unter anderem eine bessere Bezahlung für die "sprechende Medizin", den direkten Kontakt mit den Patienten. Doch das Gesundheitswesen ist chronisch unterfinanziert. Die Krankenkassen verweisen auf steigende Kosten für Krankenhausbehandlungen und Praxisärzte.

Bei seiner Kandidatur hat Montgomery Gegenkandidaten wie den Berliner Chirurgen Günter Jonitz, dessen westfälischen Kollegen Theodor Windhorst und den oft als "Rebellen" bezeichneten Hausarzt Martin Grauduszus, Präsident der Freien Ärzteschaft. Einige niedergelassene Ärzte fühlen sich vom Präsidentschaftsfavoriten Montgomery nicht so vertreten wie gewünscht. Zugeben müssen jedoch alle: In den großen Debatten führt Montgomery das Wort wie kein Zweiter. So prangert er das Chaos bei den Kassen nach der City-BKK-Pleite an. "Die Krankenkassen haben mit ihrem unwürdigen Verhalten gezeigt, wie gefährlich es ist, ihnen mehr Macht und mehr Einfluss zuzubilligen", so Montgomery zum Abendblatt. Die Mitglieder einer insolventen Kasse sollten "einfach einen Ankreuzbogen mit allen vorhandenen Kassen nach Hause geschickt bekommen und dann entscheiden, wer sie zukünftig versichern soll".

Auch die AOK fordert Konsequenzen. Der Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, sagte dem Abendblatt, mit einer geringfügigen Gesetzesänderung könne man ein Chaos vermeiden. "Man sollte das Gesetz dahingehend ändern, dass die Versicherten einer Kasse in Auflösung automatisch vom Kassenverband wie den Betriebskrankenkassen oder Ersatzkassen aufgenommen werden. Dann haben sie genügend Zeit, sich eine neue Kasse zu wählen." Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung sieht weitere Kassen von der Pleite bedroht. Der Verband habe "vermehrte Anhaltspunkte für eine potenzielle Gefährdung" bei insgesamt 23 Kassen gesehen, berichtete die "Wirtschaftswoche".