30 000 Jobs gefährdet. Sieben Altmeiler bleiben vom Netz

Berlin. Die Konzernbetriebsräte der Kernkraftbetreiber haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wegen des geplanten Atomausstiegs scharf angegriffen. Es müsse Schluss sein mit der Polarisierung. Es gebe keinen Anlass, Hals über Kopf aus der Kernenergie auszusteigen, erklärten die Betriebsräte der Energiekonzerne EnBW, E.on, RWE und Vattenfall in einem offenen Brief, der am Freitag mit rund 8000 Unterstützerunterschriften von Mitarbeitern an das Kanzleramt in Berlin übergeben wurde.

"In Deutschland hängen mehr als 30 000 Arbeitsplätze an der Kerntechnik, die meisten davon hoch qualifiziert", heißt es in dem Schreiben, das dem Hamburger Abendblatt vorliegt. "Wir haben dazu beigetragen, dass unser Industrieland immer genügend bezahlbare Energie hatte, unstrittig eine wichtige Grundlage für die positive Entwicklung unseres Landes in den letzten Jahrzehnten." Heute sei die Stimmung aufgrund der Ereignisse in Japan gegen die Kernenergie. "Aber darf sich Politik bei derart wichtigen, langfristig wirkenden politischen Entscheidungen nur von Stimmungen leiten lassen? Wir meinen Nein", so die Betriebsräte. Die Meiler könnten noch lange Zeit einen sicheren und CO2-freien Beitrag zur Energieversorgung leisten. Mit reinem Wunschdenken lasse sich der Umbau nicht bewerkstelligen.

Unterdessen haben sich die Umweltminister von Bund und Ländern darauf geeinigt, die sieben ältesten deutschen Kernkraftwerke nicht wieder in Betrieb zu nehmen. "Alle Meiler, die im Moratorium sind, gehen dauerhaft vom Netz", sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nach einer gemeinsamen Konferenz in Werningerode. Auch der derzeit stillgelegte Meiler Brunsbüttel würde demnach nicht wieder ans Netz gehen. Zur Zukunft des Atomkraftwerks Krümmel gab es keine Einigung. In einer Protokollnotiz sprechen sich neun der 16 Länder dafür aus, dieses Kraftwerk, das wegen zahlreicher Pannen schon länger stillsteht, nie wieder hochzufahren.

Die Minister plädierten zudem für einen frühestmöglichen Ausstieg aus der Kernenergie. Man habe sich dafür ausgesprochen, dass es ein schnellstmögliches Ausstiegsdatum geben soll, sagte Röttgen. "In diesem Ziel herrscht Einvernehmen." Jahreszahlen für einen Atomausstieg wurden allerdings nicht genannt. Einen genauen Zieltermin solle die Ethikkommission vorlegen. Diese tagt am Wochenende noch einmal und übergibt ihren überarbeiteten Bericht am Montag an die Bundeskanzlerin. Schon jetzt sickerte durch: Das Gremium plädiert auch im neuen Entwurf für einen Atomausstieg innerhalb von zehn Jahren oder weniger.

Noch unklar ist die Zukunft der Brennelementesteuer. Teile der Union hatten das Aus erwogen, damit die Atomkonzerne mehr Luft haben, um in erneuerbare Energien zu investieren. FDP-Chef Philipp Rösler forderte jedoch die Union auf zu sagen, wie sie das gegenfinanzieren wolle, sagte der neue Wirtschaftsminister der "Bild"-Zeitung. "Die FDP ist jedenfalls dagegen."

Am Sonntag wollen die Spitzen der Koalition über den Atomausstieg und die Zukunft der Steuer sprechen, die bei der erstmaligen Benutzung neuer Brennelemente für die Betreiber fällig wird. Sie sollte dem Bund bis 2016 jährlich bis zu 2,3 Milliarden Euro bringen. Wenn aber im Zuge der Reaktorkatastrophe von Fukushima bis zu acht Meiler stillgelegt werden, würden sich die Einnahmen stark mindern. Die SPD lehnt die Koalitionspläne strikt ab. "Wir sind für einen breiten Energiekonsens, aber nicht um jeden Preis", sagte Parteichef Sigmar Gabriel. Merkel sei anscheinend überhaupt nicht an einer Verständigung mit der Opposition interessiert. Als Bedingung für eine Zustimmung nannte er den dauerhaften Atomausstieg bis spätestens 2020 sowie die endgültige Stilllegung aller Altmeiler.