In der Bundesregierung beginnt die Suche nach den Gründen für das Bremer Debakel

Berlin. Man hatte die Katastrophe bei CDU und FDP kommen sehen. Den warmen Sonntagabend in den Parteizentralen zu verbringen und frustriert auf einer Brezel herumzukauen - darauf wollten sich nur ein Dutzend Liberale und rund 30 Treue bei der CDU einlassen. Kein Wunder: Für Schwarz-Gelb war die Party gleich bei Bekanntgabe der Prognosen vorbei. Die einzige offene Frage blieb, welche der beiden Regierungsparteien eigentlich die größere Niederlage eingefahren hatte.

Für den neuen FDP-Chef Philipp Rösler hätte Bremen das erste Erfolgserlebnis nach der personellen Erneuerung werden können. Der Fehlstart - wenn auch nur im kleinsten Bundesland - könnte stattdessen nun Zweifel an der Fähigkeit der neuen Spitze erwecken. Rösler, der sich gestern von Kameras fernhielt, schickte seinen Generalsekretär Christian Lindner vor, die möglicherweise aufkeimenden Zweifel schleunigst auszuräumen. Die Bürgerschaftswahl sei keine Abstimmung über den Neuanfang der FDP gewesen, sagte Lindner. Die Liberalen hätten gerade erst damit begonnen, nach ihrer Neuaufstellung Vertrauen zurückzugewinnen. "Das braucht Zeit."

Dabei hatte Rösler bei der Abschlusskundgebung in Bremen betont auf bundespolitische Themen gesetzt, von den Anti-Terror-Gesetzen, über Kinderbetreuung bis hin zum Atomausstieg. Mit dieser allerersten Wahlkampfrede als Vorsitzender hatte er Bremen quasi zur röslerschen Testwahl stilisiert. Ein vielleicht zu riskantes Unterfangen: Von einem Stimmungsumschwung sind die Liberalen noch weit entfernt.

Im Konrad-Adenauer-Haus begann gestern langsam das Rätselraten, ob die CDU in diesem Jahr überhaupt noch einmal jubeln werde. Nach den Niederlagen von Hamburg, Rheinland-Pfalz und vor allem Baden-Württemberg und dem halbwegs ordentlichen Ergebnis in Sachsen-Anhalt bildet die Bremen-Wahl für die Christdemokraten einen historischen Tiefpunkt. Nur Dritter in einem Land zu werden, das kannte man bei einer CDU, die sich seit dem Absturz der SPD gern als letzte verbliebene Volkspartei bezeichnet, bisher nicht. So war das Wort "schmerzlich" eines der am meisten formulierten, um der Lage eine Bewertung zu geben. In einem Stadtstaat könne die CDU einfach nicht viel erwarten, sagten manche. Generalsekretär Hermann Gröhe räumte ein, das Wahlergebnis sei für die CDU nun auch eine Herausforderung, weiter an ihrer Großstadtkompetenz zu arbeiten.

Bei der Vorstellung, die CDU könne im September bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin ein ähnliches Ergebnis einfahren und auch dort wieder nur drittstärkste Kraft werden, wird führenden Unionisten jetzt schon anders. Der Wahlausgang in Bremen ließ sie gestern schon einmal erahnen, wie verheerend eine Wiederholung einer solchen Niederlage in der Hauptstadt ausfallen könnte. Noch will niemand Angela Merkel öffentlich als Parteichefin infrage stellen. Aber weitere Demütigungen wie in Bremen könnten mittelfristig auch Merkels Position gefährden, heißt es in der Partei.

Von Kritik am eigenen Spitzenpersonal war man bei SPD und Grünen gestern dagegen weit entfernt. SPD-Chef Sigmar Gabriel freute sich über die "schöne Serie" von Wahlsiegen in den vergangenen Monaten, und Generalsekretärin Andrea Nahles sprach die Zuversicht aus, dass die Sozialdemokraten auch im Bund wieder stärker werden. Vor der Bundestagswahl 2013 würden die aktuellen Themen anders gewichtet, "dann werden wir den Sprung über die 30-Prozent-Hürde machen können".

Die Grünen bemühten sich auffallend, ihre Bodenhaftung unter Beweis zu stellen. Ihr Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, empfand zwar die Tatsache, dass die Partei erstmals bei einer Landtagswahl die CDU überholt habe, als "Steilvorlage" für die anstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Aber über einen eigenen Kanzlerkandidaten werde erst nach den Landtagswahlen im nächsten Jahr entschieden.

"Hauptsache drin" lautete dagegen das Credo bei der krisengeschüttelten Linkspartei. Den Wiedereinzug ins Parlament wertete Parteichefin Gesine Lötzsch als Signal, dass die Menschen eine "soziale Opposition" wollen.