Kulturstaatsminister Neumann (CDU) ist ein Sonderfall: Bremer, CDUler, in Berlin. Die Bürgerschaftswahl bereitet ihm Sorgen

Berlin. Die bundespolitische Strahlkraft der Hansestadt Bremen gilt gemeinhin als begrenzt. Das kleinste Bundesland war nie ein Hort eindrucksvoller politischer Aufstiege und Fälle, nie eine Stätte spektakulärer Machtwechsel und speziell für die CDU nie ein Ort freudiger Ereignisse. Vorerst wird sich nichts daran ändern, auch nicht bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag. Die SPD regiert seit 1945, und so wird es wohl bleiben. Lediglich zweimal ließen die Sozialdemokraten die CDU bisher mit auf die Regierungsbank - natürlich nur als Juniorpartner. Doch Rot-Grün hat sich eingespielt.

Als Bremer die ganz große Karriere in der CDU zu machen gilt seit Jahrzehnten als schier unmöglich. Bernd Neumann ist also ein Sonderfall. Er ist Bremer, er ist CDU-Politiker, und er hat etwas zu sagen in Berlin. Als Kulturstaatsminister gehört er dem Bundeskabinett an. Der 69-Jährige ist der erste Bremer überhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik, der das von sich behaupten kann. Das genießt Neumann. Besonders gern genießt der Staatsminister bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien - so sein offizieller Titel - das Erreichte auf der weitläufigen Terrasse neben seinem Büro im achten Stock im Bundeskanzleramt. Neumann weiß, dass es Eindruck macht, seinen Gästen einen Kaffee auf dem Dach der Machtzentrale der Republik anzubieten. Hier oben kann er beiläufig erwähnen, dass Kanzleramtsminister Ronald Pofalla unter ihm sitzt, und kühn behaupten, dass er niemanden über sich hat, "nur den lieben Gott".

Neumanns Sätze und Bewegungen sind mit Bedacht gewählt. Er mag den leicht großspurigen Auftritt. Allem, was er tut und sagt, verleiht er Gewicht und Würde. In seinem Tagesgeschäft hat er es mit Künstlern, Schauspielern, Regisseuren, Intendanten und Museumsdirektoren zu tun. Der Umgang färbt ab. Er habe jetzt die schönste Aufgabe, die er je hatte, sagt er. Kein Ressort sei so abwechslungsreich. "Natürlich eröffne ich lieber das Theatertreffen, als mit Krankenkassen über Versicherungsfragen zu streiten."

Vermutlich fühlt sich Neumann in Berlin so pudelwohl, gerade weil er ein CDU-Politiker aus Bremen ist, wo man als solcher üblicherweise nichts zu lachen hat. 29 Jahre - von 1979 bis 2008 - führte er als Landesvorsitzender die bremische CDU. Er kennt Niederlagen. Dreimal trat er vergeblich an, um Bürgermeister an der Weser zu werden. Vor dem kommenden Sonntag aber graut es ihm besonders. "Sollte die CDU drittstärkste Kraft werden, wäre das sehr schmerzhaft", sagt er. Vieles deutet darauf hin, dass die an Demütigungen ohnehin reich erfahrene Bremer Christdemokratie bei der Bürgerschaftswahl einen historisch miserablen Tag erwischt. Der CDU droht Umfragen zufolge ein Ergebnis unter 20 Prozent. Dort lag sie zuletzt 1959. Und was Neumann fürchtet, könnte sich bewahrheiten. Die CDU fällt zurück - hinter die Grünen.

Für ihn selbst wird ein solcher Ausgang keine Konsequenzen haben. Aus dem Führungszirkel der Landespartei hat er sich vollständig zurückgezogen. "Im Wahlkampf halte ich mich zurück, die Nachfolger wollen und müssen das allein verantworten", sagt er. Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann hat es schwer. Selbst in den eigenen Reihen gilt sie als umstritten. Den Sinkflug der Partei in seiner Heimatstadt begründet Neumann aber anders: Die CDU sei in Bremen in einer Diaspora-Lage, und die politische Situation der Bremer CDU sei vergleichbar mit der der Hamburger CDU, wobei es die Bremer Christdemokraten noch schwerer hätten. Ole von Beust habe in Hamburg seinerzeit glaubhaft einen liberalen Geist verkörpert, versucht Neumann zu erklären, warum die Hamburger CDU so lange regieren konnte und die Bremer CDU seit jeher am Boden liegt. "In Bremen gibt es zu wenig klassische CDU-Klientel: Katholiken, Facharbeiter, Angestellte im Dienstleistungssektor", meint er.

Hoch oben auf der Kanzleramtsterrasse versucht er gar nicht erst, den Bremer Wahlkampf spannendzureden. Er schätzt SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen. Man kenne sich lange, man pflege ein kollegiales Verhältnis, lobt Neumann. Rechnerisch könnte die CDU gemeinsam mit den auftrumpfenden Grünen der SPD sogar gefährlich werden. Aber beim Gedanken an Schwarz-Grün verschlägt es dem sonst so gewählt formulierenden Neumann fast die Sprache. Knapp sagt er: "Es gibt kein Verhältnis zwischen CDU und Grünen." Die Grünen seien mit der SPD eine Symbiose eingegangen, und sowieso seien die Bremer Grünen "ziemlich links". Schwarz-Grün scheint in Bremen bis auf Weiteres keine Option zu sein. Die Bremer CDU wird auch machtstrategisch Diaspora bleiben.

Im Bundestag sieht es für den Landesverband kaum anders aus. Als einziger CDU-Politiker aus Bremen gehört Neumann dem Parlament an. Und dort fühlt er sich längst nicht so wohl wie auf der Dachterrasse des Kanzleramts. "Es ist ganz schwer für so ein kleines Bundesland, im Bund eine Rolle zu spielen. Man hat als Bremer keine Hausmacht in Berlin, und dadurch hat man es besonders schwer", klagt der Abgeordnete. Man müsse sich als Bremer im Bund schon besonders anstrengen, "und man muss Glück haben", erklärt er. Vor sechs Jahren, Neumann war mit 63 Jahren nicht mehr wirklich im Gespräch für die ganz großen Posten, hatte er dieses Glück. "2005 war Norbert Lammert Kulturstaatsminister im Schattenkabinett Merkel, doch der wurde dann Bundestagspräsident und damit der Weg für mich frei." Neumann weiß es am besten: Er ist wirklich ein Bremer Sonderfall.