“Stresstest“ zeigt Schwachpunkte auf. Älteste Reaktoren wie Brunsbüttel vor dem Aus

Berlin. Gegner und Befürworter der Atomkraft hatten den "Stresstest" mit Spannung erwartet. Jetzt zeigt die Überprüfung der 17 deutschen Atomkraftwerke: Keiner der Meiler ist ausreichend gegen Terrorangriffe aus der Luft geschützt. Alle würden den Aufprall eines großen Passagierflugzeugs nicht überstehen.

Vier der ältesten Reaktoren, darunter das Kraftwerk Brunsbüttel, könnten nicht einmal dem Absturz eines kleinen Flugzeugs, etwa einer Militärmaschine, standhalten. Zu diesem Schluss kommt die Reaktorsicherheitskommission, die mögliche Mängel der deutschen Kraftwerke bestimmen sollte. Gestern übergab sie ihr Gutachten an Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Nach dem Tsunami und dem GAU in Fukushima hatte die Regierung die sieben ältesten Reaktoren für drei Monate stillgelegt und die Überprüfung aller Kernkraftwerke angeordnet.

Laut Bericht gehören neben Brunsbüttel die hessischen Kernkraftwerke Biblis A und B sowie der Meiler Philippsburg in Baden-Württemberg zu jenen Anlagen, die "keine nachgewiesene Sicherheitsauslegung" für den Absturz leichter Flugzeuge aufweisen könnten, sagte Röttgen. Drei weitere Kraftwerke verfügen über nur geringen Schutz gegen Attacken aus der Luft. So wäre eine mittelgroße Passagiermaschine etwa für den nahe bei Hamburg gelegenen Meiler Krümmel eine Gefahr. Die Schutzstufe drei - ausgelegt auf schwerste Flugzeuge - werde von keinem Kernkraftwerk erreicht, räumte Röttgen ein.

Was andere Risiken anbelangt, sind die deutschen Kernkraftwerke nach Erkenntnissen der Kommission dagegen überdurchschnittlich sicher. Kommissionschef Rudolf Wieland sagte, keiner der deutschen Reaktoren habe mit Blick auf Naturkatastrophen ähnliche Defizite wie die japanischen Kraftwerke. Er sprach von einem "großen Robustheitsgrad". Dies gelte auch für ältere Meiler, bei denen es Nachrüstungen an den Notsystemen gegeben habe.

Sechs Wochen lang hatten rund 100 Experten den "Stresstest" an den deutschen Meilern durchgeführt. Prüfkriterien waren neben dem Schutz vor Flugzeugabstürzen die Erdbebensicherheit, die Sicherheit bei Hochwasser oder beim Ausfall der Kühlung oder des Notstromsystems sowie Attacken aus dem Internet. Die Ergebnisse sollen Grundlage für die Abschaltentscheidungen der Bundesregierung im Rahmen der geplanten Energiewende sein. Das neue Atomgesetz, das die Restlaufzeiten festlegt, soll am 6. Juni vom Kabinett verabschiedet werden. Die Kommission selbst gab keine klare Empfehlung für das Abschalten einzelner Meiler ab. Minister Röttgen deutete jedoch an, dass es durch die Testergebnisse auf das endgültige Aus für die vier am meisten durch Flugzeugabstürze gefährdeten Meiler hinauslaufen könnte. Das könnte auch eine Stilllegung des Meilers in Brunsbüttel bedeuten.

Die Opposition kritisierte den Bericht der Kommission scharf. "In einem Zeitraum von nur zwei Monaten ist eine vollständige und abschließende Überprüfung aller Risiken der Atomkraftwerke nicht zu machen", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth dem Abendblatt. "Die sieben ältesten Schrottreaktoren plus der Pannenmeiler Krümmel dürfen nach dem Moratorium nicht wieder angefahren werden", forderte sie.