Der Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde, Roland Jahn, trotzt der Kritik. Er will belastete Mitarbeiter seines Hauses möglichst loswerden

Berlin. Schon bei seiner feierlichen Amtseinführung im März redete Roland Jahn Tacheles. Der neue Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde kündigte an, er wolle die knapp 50 früheren Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit, die seit 20 Jahren fest zur Belegschaft gehören, aus seinem Haus entfernen. Eine kontroverse Debatte brach los. Inzwischen ist der Streit so eskaliert, dass alle Beteiligten vorsichtig auf die Bremse treten - gerade bei einem so heiklen Thema soll nicht unnötig noch mehr Porzellan zerschlagen werden.

"Wir brauchen ein Klima der Versöhnung", sagte Jahn gestern der in Chemnitz erscheinenden "Freien Presse". Beim Besuch der Außenstelle seiner Behörde in Dresden machte er aber zugleich deutlich, dass er in der Sache an seinem Ziel festhält. Opfer empfänden es als "Schlag ins Gesicht", wenn sie beim Besuch der Unterlagen-Behörde ausgerechnet von früheren Stasi-Offizieren begrüßt würden, so Jahn. Die Betroffenen sind heute etwa am Empfang, als Sachbearbeiter oder im Archiv tätig.

Öl ins Feuer geschüttet hatte besonders der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz, der Jahn im "Focus" kurzerhand die Eignung für das neue Amt absprach. "Ich habe ihn gewählt, aber ich habe mich geirrt." Zwar entschuldigte sich Wiefelspütz später ausdrücklich für seine "aggressive Wortwahl". Er blieb aber dabei, die 47 Ex-Stasi-Mitarbeiter dürften nicht "Thema Nummer eins auf Jahns Agenda sein".

Wie kommt es, dass der mit großen Vorschusslorbeeren bedachte Amtschef so zwischen die Fronten geraten ist? Anfang des Jahres hatte der Bundestag ihn noch mit absoluter Mehrheit über die Parteigrenzen hinweg zum Chef der Behörde gekürt, bei der 1600 Mitarbeiter angestellt sind. Seine Lebensgeschichte galt als Garantie für einen sensiblen Umgang mit den immer noch schwierigen Themen der Ost-Vergangenheit: Jahn hatte selbst in Stasi-Haft gesessen und wurde 1983 gegen seinen Willen aus der DDR ausgebürgert.

Die Opferverbände unterstützen Jahns Linie. Bei der Opposition, aber auch in den Regierungsreihen gibt es inzwischen Enttäuschung über den Start. Jahn hätte zumindest im Vorfeld seiner Wahl deutlich machen müssen, wie sehr ihm das Thema am Herzen liege, heißt es bei der SPD. Und die Linke-Kulturexpertin Luc Jochimsen verweist darauf, in der Behörde habe schon von der Stunde null an die jetzt beklagte "schizophrene Situation" geherrscht. "Wenn ihn das so sehr beschwert, hätte er nicht Leiter der Dienststelle werden sollen."

Abgeordnete aus der Union geben dem neuen Amtschef demonstrativ Rückendeckung. "Man muss ihm das bei seiner Geschichte zugestehen", sagt etwa Kulturausschuss-Chefin Monika Grütters (CDU). Dennoch sind andere verwundert über die vielen Zeitungsinterviews, die Jahn zum Thema gibt. "Wer bei einem so schwierigen Problem weiterkommen will, muss sensibel vorgehen und um Lösungen werben. Da hilft es nicht, jede Woche eine neue Sau durchs Dorf zu treiben", sagt einer.

Das Ungewöhnliche: In der Sache sind sich die Beteiligten einig. Auch in der Vergangenheit gab es schon mehrfach Versuche, das Problem der Stasi-Mitarbeiter zu lösen, Jahns Vorgängerin Marianne Birthler sprach von einer "schweren Hypothek". Arbeitsrechtlich ist es kaum möglich, die Betroffenen in ein anderes Haus zu versetzen - schon gar nicht gegen ihren Willen. Der für die Behörde verantwortliche Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) war deshalb wohl mehr als vorsichtig mit seiner Hilfszusage an Jahn.

Nun verkündete der Amtschef, er sei bei seinen Gesprächen mit Betroffenen teils auf offene Ohren gestoßen. Bis Ende Mai wolle er aber das Gutachten abwarten, das Klarheit über die arbeitsrechtlichen Fragen bringe. Ziel seiner Arbeit sei Versöhnung. "Das heißt aber auch, die Wunden der Opfer zu heilen."