Kanzlerin Merkel bremst Forderungen nach Entlastung der Bürger aus Union und FDP

Berlin/Fulda. Kanzlerin Angela Merkel sperrt sich trotz eines absehbaren Rekords bei den Steuereinnahmen gegen eine schnelle Entlastung der Bürger. "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel", warnte Merkel gestern in Berlin vor überzogenen Erwartungen, auch in den Reihen von Union und FDP. "Jetzt müssen wird erst einmal den Bundeshaushalt für 2012 hinbekommen", sagte Merkel vor ausländischen Korrespondenten.

Zuvor hatte die Aussicht auf üppige Mehreinnahmen eine neue Debatte über Entlastungen von Bürgern und Wirtschaft ausgelöst. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) hält angesichts eines möglichen Geldsegens von 136 Milliarden Euro in den nächsten Jahren Steuerentlastungen wieder für möglich. Fuchs will "nicht hundertprozentig ausschließen", dass es zu niedrigeren Steuern kommt, sollten die Mehreinnahmen in dem Umfang fließen wie vorhergesagt. Im Südwestrundfunk sagte er, er betrachte es weiter als Ziel der schwarz-gelben Koalition, gerade mittlere Einkommen zu entlasten. Oberste Maxime müsse aber die Schuldenbremse bleiben.

Zuvor hatte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt im Abendblatt dafür plädiert, Durchschnittsverdiener zu entlasten, sofern es dafür Spielräume gebe. FDP-Generalsekretär Christian Lindner warnte wie die beiden Unionspolitiker davor, den Sparkurs zu entschärfen. Er sprach sich aber zugleich für niedrigere Einkommenssteuern aus. Der Staat greife überproportional bei Lohnerhöhungen für kleine und mittlere Einkommen zu. Deshalb müsse die "kalte Progression" baldmöglichst beseitigt werden: "Für dieses Ziel lohnt es, weiter die strenge Haushaltsdisziplin zu behalten."

Der Deutsche Städtetag betonte, auch das erwartete Steuerplus löse die Finanzprobleme der Kommunen nicht.

Hauptgeschäftsführer Stephan Articus sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wir freuen uns, dass der Aufschwung den Städten hilft und den Aufstieg aus dem Tal der Tränen beschleunigt." Ein schnelles Ende der kommunalen Finanzprobleme sei aber nicht in Sicht. Die Mehrheit der Städte müsse zusätzliche Einnahmen erst einmal zum Abbau von Defiziten verwenden.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung ermittelt bis morgen mögliche Einnahmen des Staates für die nächsten Jahre. Nach einer Vorlage Schäubles können Bund, Länder und Kommunen bis 2014 mit einem Plus von etwa 136 Milliarden Euro gegenüber früheren Prognosen rechnen. 69 Milliarden könnten auf den Bund entfallen. 53 Milliarden davon hat Schäuble bereits in seinen Etat- und Finanzplan eingestellt. Die Zusatzmilliarden sind aber noch nicht geflossen. Bei schwächerem Wirtschaftswachstum sind auch Rückschläge für die Staatskassen möglich.