Köhlers Äußerungen zu Auslandseinsätzen bringen die Opposition in Fahrt

Berlin. Horst Köhler hat mit Äußerungen über deutsche Militäreinsätze gehörig Staub aufgewirbelt. Sich selbst hat Bundespräsident in akute Erklärungsnot gebracht, weshalb er gestern durch seinen Sprecher erklären ließ, die Afghanistan-Mission der Bundeswehr sei damit gar nicht gemeint gewesen. Die entsprechende Passage in seinem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur habe sich vielmehr auf Einsätze "wie zum Beispiel die Operation Atalanta gegen Piraterie" bezogen.

Mit fünftägiger Verspätung hatte dieses Interview gestern für Aufregung gesorgt, nachdem es wegen der Pfingsttage zunächst untergegangen war. Wörtlich hatte Köhler nach seiner Rückkehr aus Afghanistan laut Mitschrift des Senders am Sonnabend gesagt: "Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganz regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen."

Weil beim Sender daraufhin Hunderte von Hörerreaktionen eingingen, nahm der Deutschlandfunk das Thema gestern Morgen im Gespräch mit dem CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz wieder auf. Polenz räumte ein, bei Köhlers Äußerungen habe es sich um "keine besonders glückliche Formulierung" gehandelt, Deutschland habe aber ein Interesse am freien Zugang zu Rohstoffen. Dies stehe aber in keinem Zusammenhang mit Militäreinsätzen, unterstrich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages.

Bei der SPD, die nun auch aufgewacht war, wollte man die Sache nicht so schnell ad acta legen. Deutschland führe in Afghanistan "keinen Krieg um Wirtschaftsinteressen", kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, den Bundespräsidenten bei "Spiegel Online". Köhler schade mit seinen Äußerungen der Akzeptanz der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Tatsächlich gehe es am Hindukusch "um unsere Sicherheit". Wer anderes behaupte, "redet der Linkspartei das Wort".

Die ließ sich nicht lange bitten. Köhler habe offen gesagt, was nicht zu leugnen sei, erklärte Linken-Chef Klaus Ernst. "In Afghanistan riskieren Bundeswehr-Soldaten Gesundheit und Leben für die Exportinteressen riesiger Konzerne." Die Kritik der SPD solle nur von der Verantwortung der Sozialdemokraten für dieses militärische Abenteuer ablenken. "Das ist kein friedenssichernder Einsatz, sondern ein Krieg um Einfluss und Rohstoffe." Das Grundgesetz erlaube der Bundeswehr aber keine Wirtschaftskriege.

Kritik kam auch vom Berliner Verfassungsrechtler Ulrich Preuß. "Das ist eine durch das Grundgesetz schwerlich gedeckte Erweiterung der zulässigen Gründe für einen Bundeswehreinsatz um wirtschaftliche Interessen", kommentierte der Wissenschaftler gegenüber "Spiegel Online". Da sei ein "imperialer Zungenschlag" erkennbar.

Neben Köhler stand gestern auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in der Kritik, nachdem er in der Führungsakademie der Bundeswehr seine Sparpläne für die Truppe bekannt gemacht hatte. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold erklärte das Vorhaben, zahlreiche kleine Kasernen und andere Standorte zu schließen, für unzureichend. Damit werde man das finanzielle Problem nicht lösen. Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour schlug eine Verkleinerung der Truppe vor. Das sei "die zentrale Baustelle": "Es darf an dieser Stelle keine Tabus geben."

Dabei hatte Guttenberg selbst gesagt, dass Einzeleingriffe in den Beschaffungsplan bei nur symbolhaftem Streichen von Einzelprojekten "bei weitem" nicht ausreichen würden. Er hatte unter anderem Personalkosten, Rüstungsausgaben und die Zahl der Kasernen genannt.

Guttenberg erwartet nun auch eine neue Debatte über die Wehrpflicht. "Mit den jetzt bekannten Zahlen und nicht nur aufgrund koalitionsinterner Träumereien wird auch der Fortbestand der Wehrpflicht erneut einer Diskussion ausgesetzt", sagte der Minister, obwohl bereits die beschlossene Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate in den Reihen der Regierungsparteien sehr umstritten ist.