Bundeskanzlerin will statt gesetzlichem Mindestlohn mehr Tarifautonomie

Berlin. Trotz allen Streits über Rente mit 67, Kopfpauschale und die Lehren aus der Weltfinanzkrise ist Bundeskanzlerin Angela Merkel um einen Schulterschluss mit den Gewerkschaften bemüht. Bei allen strittigen Entscheidungen werde sie "den Gesprächsfaden zu den Gewerkschaften intensiv suchen", sagte die CDU-Vorsitzende gestern auf dem Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin.

Zwar lehnte Merkel Kernforderungen des DGB wie etwa einen gesetzlichen Mindestlohn ab. Sie sagte aber Unterstützung zu für die Ausweitung von Branchen-Mindestlöhnen. Die Kanzlerin lobte die "herausragende Zusammenarbeit" von Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Krise, ohne die Politik gar nicht hätte agieren können. "Die Mitbestimmung ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können", sagte Merkel und plädierte für eine Stärkung der Tarifautonomie. Sie werde daher auch branchenbezogene Mindestlöhne unterstützen, die von den Tarifpartnern ausgehandelt würden. Die Gesundheitspolitik und die von der Koalition geplante Kopfpauschale, gegen die die Gewerkschaften Front machen, sprach Merkel nicht an.

Anders als bei Merkels erstem Auftritt auf dem DGB-Bundeskongress vor vier Jahren blieben Proteste der rund 400 Delegierten diesmal aus. Einzig als sie einen gesetzlichen Mindestlohn ablehnte mit den Worten "Ich glaube, dass das nicht die richtige Antwort ist", war im Saal kurz der Hauch einer Trillerpfeife zu hören. DGB-Chef Michael Sommer, dessen Wiederwahl heute ansteht, forderte die Kanzlerin auf, Zockern auf den Finanzmärkten das Handwerk zu legen.