"Die Psyche ist wichtiger als die Physis." Das war sein Credo, nachdem ihn ein Geisteskranker am 12. Oktober 1990 mit drei Schüssen niedergestreckt hatte. Und bis heute hält Wolfgang Schäuble eisern daran fest. Frei nach der kantschen Pflichtformel: Ich kann, weil ich will, was ich muss.

Acht Wochen nach dem Attentat ist Schäuble damals im Rollstuhl auf die politische Bühne zurückgekehrt. Und da war keiner, der nicht beeindruckt gewesen wäre von diesem Berufspolitiker, der die Politik nun als Überlebensmittel benutzte. Mitleid hat sich Schäuble damals schnell verbeten. Er sei kein "Edelbehinderter", hat er gesagt. Und als er einräumte, dass ihn die dienstlich gewährten Rund-um-die-Uhr-Hilfen zu einem Privilegierten machten, war es ihm wichtig, auf den Preis hinzuweisen, den er dafür zu zahlen hatte: "Den hohen Grad öffentlicher Neugier."

Diese Neugier ist zurzeit unbegrenzt. Mit der Begründung, die Krankenakte Schäuble sei durch die Euro-Krise zum Politikum geworden, wird seit Tagen ungeniert darüber spekuliert, ob der 67-Jährige seinem Amt als Finanzminister noch gewachsen sei. Nicht nur in den Medien, auch in den Parteien. Der Vorwand lautet, Deutschland brauche in diesen Wochen einen voll einsatzfähigen Minister. Jeder andere würde sagen: Jetzt reicht's. Schäuble hat gestern ankündigen lassen, dass er seine Amtsgeschäfte heute wieder aufnehmen und zum Finanzministertreffen nach Brüssel reisen wird. Er kann, weil er will, was er muss.