Karlsruhe. Bundespräsident Horst Köhler hat der Politik eine erhebliche Mitverantwortung für die aktuelle Währungs- und Finanzkrise zugewiesen. "Dass auf einseitige Gewinnmaximierung gepolte Finanzakteure jetzt das Wohl und Wehe ganzer Völker bestimmen können, liegt eindeutig auch und sogar zuerst an politischen Versäumnissen", sagte Köhler in Karlsruhe bei der offiziellen Amtseinführung des neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

Die Ursache für die Zuspitzung liege in einer "unzureichenden staatlichen Regulierung der Finanzmärkte" und an "ausgeuferter Staatsverschuldung", sagte der Bundespräsident. Außerdem hätten sich die Staaten der Euro-Zone bisher als unfähig erwiesen, die für den Zusammenhalt des europäischen Währungsraums dringend nötigen Strukturreformen durchzusetzen.

Außerdem beklagte Köhler eine Tendenz zur Verlagerung politischer Debatten vor das Bundesverfassungsgericht. Das Karlsruher Gericht sei "nicht gedacht als Ersatz für Politik", mahnte Köhler. Es sei eine "Anomalie", wenn im demokratischen Prozess unterlegene Minderheiten versuchten, Ideen mithilfe des Gerichts doch noch durchzusetzen, auch wenn gar keine Hinweise auf Verfassungsverstöße vorlägen.

Erst vor wenigen Tagen hatte eine Gruppe von Euro-Skeptikern versucht, das von Bundesregierung und Parlament verabschiedete Rettungspaket für das in eine Finanznot geratene Griechenland per Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht zu stoppen. Sie waren damit aber gescheitert.