Kanzlerin eröffnete gestern internationale Konferenz in Bonn

Bonn/Berlin. Gut vier Monate nach dem enttäuschenden Weltklimagipfel von Kopenhagen sind gestern Umweltminister und andere Regierungsvertreter aus 45 Staaten in Petersberg bei Bonn zusammengekommen. Das Treffen soll den Verhandlungsprozess für ein neues Klimaschutzabkommen vorantreiben und den nächsten Uno-Gipfel am Jahresende im mexikanischen Cancún vorbereiten. Der Petersberger Klimadialog, der bis Dienstag dauern soll, wurde von Kanzlerin Angela Merkel und Mexikos Präsident Felipe Calderón eröffnet. Merkel sagte in einer Videobotschaft: "Wir werden deutlich machen, dass die Arbeiten an einem Anschlussabkommen für das Kyoto-Protokoll mit großer Intensität vorangetrieben werden müssen."

Zum Auftakt der Gespräche warf Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der Bundesregierung vor, sie habe auf das Scheitern von Kopenhagen mit einem "verhängnisvollen Strategiewechsel" reagiert. Merkel und Umweltminister Röttgen (beide CDU) hätten sich "faktisch vom Ziel eines verbindlichen internationalen Klimaschutzabkommens verabschiedet", sagte Trittin dem Abendblatt. Diese Wende in der deutschen Klimapolitik sei "dramatisch".

Der frühere Bundesumweltminister forderte: "Statt sich weiter zu zieren und auf dem Europäischen Rat unverbindliche Erklärungen abzugeben, muss sich die Bundeskanzlerin jetzt klar zu einem unkonditionierten europäischen Minderungsziel von mindestens 30 Prozent für die Europäische Union einsetzen." Die bisherige Blockade der Kanzlerin gegenüber diesem Schritt habe zu Vertrauensverlust geführt. "Ohne echte Vorreiter gibt es beim Klimaschutz keine Fortschritte."

Merkel fördere Atom- und Kohlestrom und habe in der EU dafür gesorgt, dass die deutsche Auto- und Schwerindustrie von Klimaschutzauflagen weitgehend befreit geblieben seien, kritisierte Trittin. International gemachte Finanzzusagen für den Klimaschutz halte die Bundesregierung nicht ein. "Statt der versprochenen 420 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für den internationalen Klimaschutz wurden Mittel für die Armutsbekämpfung mit dem Klimaschutz verrechnet." Am Ende seien nur 70 Millionen übrig geblieben, die im laufenden Jahr als neue Mittel bereitgestellt werden sollen, sagte Trittin. "Das alles hat zum Scheitern in Kopenhagen beigetragen - neben der Tatsache, dass Deutschland und die EU ihre Vorreiterrolle aufgegeben haben."

Am Wochenende tauchten bisher geheime Dokumente mit Hinweisen auf die Hintergründe des Versagens von Kopenhagen auf. Die dänische Zeitung "Politiken" veröffentlichte im Internet ein Geheimpapier der Kanzlei von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, nach dem die dänischen Gastgeber das Ziel bindender Vereinbarungen deutlich früher aufgegeben haben als bisher bekannt. Dem "Spiegel" liegt ferner ein Tonbandmitschnitt vor, der enthüllt, wie China und Indien eine Einigung auf konkrete Einsparziele von Treibhausgasen blockierten und damit Merkel und die EU düpierten. In dem Gespräch am 18. Dezember fuhr Merkel den indischen Premier Manmohan Singh an: "Aber dann wollen Sie nichts rechtlich Bindendes!" Der entgegnete mit lauter Stimme: "Das ist nicht fair!" Frankreichs Präsident Sarkozy sagte: "Bei allem Respekt vor China: Man muss auf diese Scheinheiligkeit reagieren."