Das Debakel der SPD, die Verluste der CDU und natürlich der Einzug der AfD in den Bundestag. So reagierten die Leser des Abendblatts.

Gut funktionierende Demokratie

Jedes Wahlergebnis mit überraschend großen Veränderungen in der Parteienlandschaft ruft Unruhe, Unsicherheit und oft auch Besorgnis hervor, weil alles Neue bei vielen von uns Angst auslöst. Dass diese Veränderungen – einschließlich des Einzugs der AfD in den Bundestag – in unserem Land möglich sind, ist aber doch auch ein Beweis dafür, das unsere Demokratie funktioniert. Diesmal kommen halt auch die mit der Merkel-Politik nicht zufriedenen Wähler zu ihrem Recht, ihre Stimme im Parlament vertreten zu lassen, und alle anderen Parteien sind nun aufgefordert, sich mit jenen Vertretern ernsthaft, ohne Vorverurteilung und „auf Augenhöhe“ aus­einanderzusetzen. Beide Seiten müssen dann beweisen, wie gut sie im demokratischen Alltag überzeugen können. Schließlich werden Beschlüsse in einer Demokratie durch Mehrheiten gefasst, und zumindest derzeit müssen wir uns wohl keine Sorgen um die Vernunft der Mehrheit in Deutschland machen.

Peter M. Lange, Henstedt-Ulzburg

Schlechtes Benehmen, Herr Schulz

Waren schon die Wahlkampfauftritte des SPD-Kanzlerkandidaten teilweise von unglaublicher Arroganz geprägt, so war das Benehmen von Herrn Martin Schulz im Rahmen der Berliner Runde der Gipfel und im höchsten Maße peinlich. Sollte der Frontmann der SPD in der Zukunft weiterhin diesen Stil beibehalten, dann ist es kaum vorstellbar, dass die Partei ihre Talsohle überwindet. Die SPD hat in der Vergangenheit großartige Parteichefs gehabt, bei denen derartige Entgleisungen undenkbar gewesen wären.

Maria Gödeke, Hamburg

Destruktiver Umgang mit der Wahl

Der Wahlausgang war ja eigentlich erwartbar. Der Umgang damit ist leider im Allgemeinen recht destruktiv. Ich bin voll beim Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Herrn Haider, wenn er sagt, dass der AfD über Gebühr mediale Aufmerksamkeit geschenkt werde. Auch einem SPD-Vorsitzenden, der nach einem grottenschlechten Wahlkampf ein grottenschlechtes Ergebnis erhalten hat und sich jetzt auch noch als schlechter Verlierer erweist, wird zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Unions-Parteien haben circa 1,3 Millionen Wähler und Wählerinnen an die FDP verloren und circa 1,1 Millionen an die AfD. Was liegt da näher, als dass sie mit diesen beiden Parteien zusammenregieren? Damit hätten sie ihre verlorenen Wähler wieder eingefangen, und die AfD wäre im Bundestag gut untergebracht. Also, Frau Merkel, Frau Petry, Herr Lindner: an den Verhandlungstisch und den Wählerwillen umsetzen. Auch AfD-Wähler sind Wähler.

Hein Hocker, Hamburg

Kein Grund zur Panik

Das Wahlergebnis der AfD bei der Bundestagswahl 2017 halte ich nicht für einen „Erdrutsch“. Betrachtet man die Parteiengeschichte in Gesamtdeutschland ab etwa 1950, lässt sich feststellen, dass es immer eine konservative Menge von ungefähr 50 Prozent Wähler-Anteil gegeben hat. Dabei gab es auch immer eine „Mischung“ aus nationalkonservativen CDU-Mitgliedern und nationalistisch-radikalen Parteien wie den Repu­blikanern, der NPD und weiteren. Zeitweise haben „rechte“ CDU-Abgeordnete und Funktionäre ganz offen bei den Ganz-rechts-Nationalisten um Stimmen gebuhlt. In der Mitte hat sich seit dem Erscheinen der Grünen mehr geändert. Und die FDP hat sich mit ihrem Wandel von einer liberal-ethischen Ausrichtung zu einer mehr oder weniger liberal-kapitalistischen Partei selbst geschadet. Für die einkommensschwache Unter- und Mittelschicht war sie nicht mehr wählbar.

Findet sie jetzt einen Weg zu einer eher sozialliberalen Einstellung, könnte sie zusammen mit den oft romantisch-bürgerlichen Grünen für längere Zeit wieder eine „bürgerliche Mitte“ bilden. Die SPD leidet meiner Meinung nach unter ihrem beleidigten, selbstgerechten Daueranspruch auf Gerechtigkeit. Auch das SPD-typische Funktionärsdenken macht sie für viele unorthodoxe Wähler nicht attraktiv. Dazu kommt ihre latente Nähe zur Linken. Gerade die ältere Generation hat die Rolle der SED in der DDR und der westdeutschen Altkommunisten während der deutschen Teilung nicht vergessen. Diese Bundestagswahl ist meiner Meinung nach völlig normal und demokratisch verlaufen. Kein Grund zu Panik.

Rolf Tonner, Hamburg

Den Schuss nicht gehört

Nach meiner Meinung haben sowohl der Bürgermeister und seine SPD sowie die Linke einen eindrucksvollen Schuss nicht gehört: G20 in Hamburg (als Ausgleich für die abgelehnte Profilierung durch Olympia) gegen den Willen der Hanseaten – entschieden nach Gutsherrenart – und unappetitliche Verbrüderungsaussagen mit Gewalttätern insbesondere durch die Linken haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen, der auch bei der nächsten Bürgerschaftswahl nicht vergessen sein wird. Wer den Bürgerwillen nicht respektiert und wer sich nicht von jedweder Gewalt distanziert, ist in der Hansestadt nicht wählbar.

Gabriele Ebert, per E-Mail

Spagat zwischen den Flügeln

Wie undemokratisch hat die SPD entschieden, in die Opposition zu wollen. Diese Arroganz gegenüber den SPD-Mitgliedern hat ihr schon früher geschadet: Im Spagat zwischen dem linken Flügel und dem „Wir wollen auch in der Mitte sein“ verlor die SPD einst ein Bein: Die Grünen gründeten sich. Ein zweites Bein verloren sie, als Gerhard Schröder CDU-Politik machte. Im Westen gründete sich die Linke. Kein Wunder, wenn man nach Verlust zweier Beine auf die Nase fällt. Den Spagat versuchte Angela Merkel mit ihrem Kurs „Weg vom Konservativen und hin zur Mitte“. Dieser Spagat führte zu einer starken rechten Partei und einer starken Mitte, der FDP. Ich wünsche mir eine Bundes-CSU, damit die CDU nicht weiter Spagat macht.

Dirk Menke, per E-Mail

Eine erfolgreiche Koalition

Die Große Koalition hat eine fast hervorragende Arbeit geleistet, die Koalitionsvereinbarungen fleißig abgearbeitet und ist vor allem respektvoll miteinander umgegangen. Deutschland steht wirtschaftlich so stark wie nie zuvor da, man kann fast von Vollbeschäftigung reden, ist von Terroranschlägen weitestgehend verschont geblieben, die Steuereinnahmen sprudeln wie im Schlaraffenland. Zum Dank werden CDU/CSU und SPD abgewatscht. Flüchtlingspolitik, Multikulti und Überfremdung treiben die Deutschen auf die Palme – schlicht und ergreifend aus Angst. Nur so konnte Rassismus eine Heimat in der AfD finden. Das Wahlergebnis ist ein Warnschuss an

die etablierten Parteien, damit sich Deutsche nicht als Fremde im eigenen Land fühlen werden. Jamaika im Bund geht gar nicht. Wenn die SPD es ernst meint mit der sozialen Gerechtigkeit, dann könnte sie in einer erneuten Großen Koalition dieses durchsetzen und sich profilieren. Eine beleidigte SPD sollte sich nicht verweigern, eine erfolgreiche Regierung fortzusetzen.

Dietmar Johnen-Kluge, per E-Mail

Weckruf für Angela Merkel

94 rechtsnational gesinnte Abgeordnete ziehen in den Bundestag ein. Nicht schön. Von ihnen werden wir mit ­Sicherheit einige peinliche Auftritte erleben. Nicht schön. Aber unsere ­Demokratie wird dies ertragen. Von den 615 anderen Abgeordneten werden doch sicherlich einige rhetorisch in der Lage sein, Herrn Gauland zu zeigen, wo der Hammer hängt. Erfreulich dabei ist, dass dieses nicht typisch deutsch ist, auch viele unserer Nachbarländer haben ­dieses Problem. Bedenklich ist, dass über vier Millionen Wahlberechtigte die AfD gewählt haben. Und das sind ­überwiegend keine Kahlköpfe in Bomberjacken. Vielmehr zeigt die Auswertung der Wählerwanderung, dass der Wähler diese Form des Protests gegen den Stillstand in der Politik gewählt hat, eine sogenannte Politik der ruhigen Hand, in der Probleme ausgesessen werden, in der keine großen Dinge mehr bewegt werden.

Frau Bundeskanzlerin, jetzt sind Sie gefordert. Sehen Sie diese Wahl als Weckruf. Das ist kein Angie-Blues, das ist ein sehr laut intonierter „Badenweiler-Marsch“, der Sie wachrütteln soll. Bringen Sie jetzt die Lösungen auf den Weg für die sich abzeichnenden Probleme unserer Gesellschaft. Holen Sie sich eine neue engagierte Jamaika-Truppe zusammen, die von kreativen Thinktanks unterstützt wird. Machen Sie den „Plenarsaal der leeren Stühle“ wieder zu einem anregenden Diskussionsforum. Die Erwartungen der Wähler liegen nicht bei den rechten Knalltüten, die Erwartungen liegen bei Ihnen. Nur wenn spürbar wird, dass Sie und Ihre Kabinettskollegen diesen Auftrag annehmen, werden wir die Marschmusik wieder los.

Harald Wendler, per E-Mail

Die FDP tut Deutschland gut

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird erst einmal pro forma Gespräche mit der FDP und den Grünen führen, um eine Jamaika-Koalition auszuloten. Aber dann wird sie auf die SPD zugehen und eine Fortsetzung der GroKo propagieren. Grund: Es ist einfacher, wenn sich zwei Verlierer und Volksparteien als Solidargemeinschaft fühlen. Daraus folgt dann weiter der „Stillstand“. Indes: Die neue Opposition aus FDP, Grünen und AfD wie auch der Linken wird aktiver sein, mehr „klare Kante“ zeigen. Meine FDP kann da nur gewinnen und pragmatisch an die Themen der Zukunft herangehen. Die AfD wird irgendwann Vergangenheit, wenn sie nicht liefern kann. Nur gegen Flüchtlinge zu sein ist zu wenig. Der Wähler hat entschieden. Machen wir das Beste daraus – als Demokraten. Und dass meine FDP wieder dabei ist, wird Deutschland guttun, denn unser liberales Denken ist auf Pragmatismus, Freiheit und Gerechtigkeitsinn aufgebaut, gepaart mit Zukunftsvisionen.

Sven Jösting, Hamburg

Dummheit bekämpfen

Die größte Gefahr für die Demokratie ist die Dummheit. Muss man den Nazis in der AfD mal wieder die Bilder von 1945 vor Augen führen? Ein Vaterland in Trümmern, abgebrannt, das Volk in den Dreck gezogen, entehrt. Eine Armee, die jeden Befehl eines von Größenwahn gepackten Führers treu erfüllte, hat Deutschland in den Ruin getrieben! Gegen Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens.

Thomas Marquard, per E-Mail

Alarmglocken nicht gehört

Mit so einem Wahldebakel hat niemand so richtig gerechnet. Dabei waren die letzten vier Jahre GroKo nicht gerade einfach, und doch wurde gut zusammengearbeitet. Bereits nach den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen hätten die Alarmglocken bei der SPD-Führungsspitze klingeln müssen. Im Nachhinein sind nun alle etwas schlauer. Herr Schulz wird die Wahlniederlage souverän verkraften und für sich und die Partei die richtigen Schlüsse ziehen. Dies gilt auch für die anderen Altparteien.

Rita Humpke, Hamburg

SPD war ein bequemer Partner

Die SPD hat eine deutliche Wahlschlappe hinnehmen müssen. Die einzig logische Konsequenz daraus ist, in die Opposition zu gehen. Obwohl die SPD viele gute Ideen in die Große Koalition eingebracht hat, bei den Wählern hat immer nur die CDU davon profitiert. Jetzt kommt das böse Erwachen. Frau Merkel hat ihren bequemen Partner in der Regierung verloren und muss sich auf schwierige Verhandlungen mit den kleineren Parteien einstellen. Die möglichen Kandidaten werden alles darangeben, möglichst viel von ihren Programmen in einen Koalitionsvertrag einzubringen, damit sie keine Probleme mit ihren Wählern bekommen. Hinzu kommt sowieso noch das Gerangel zwischen CDU und CSU. So werden schon erste Stimmen laut, der SPD undemokratisches Verhalten vorzuwerfen, aber so einfach ist das Ganze nicht. Nur in der Opposition kann sich die SPD neu formieren und wieder Gestalt gewinnen. Außerdem hat sie dort eine wichtige Funktion gegen die erstarkte AfD wahrzunehmen.

Harald Fischer, Quickborn

Zahl der Volksvertreter verringern

Die Tatsache, dass so viele Hamburger Abgeordnete den Sprung in den Bundestag geschafft haben, ist wahrlich kein Grund zum Jubeln. Grund dafür ist, wie berichtet, allein die Zunahme an Ausgleichs- und Überhangmandaten. Was in TV-Politikerrunden gern unter den Tisch gekehrt wird: Seit nunmehr zwei Legislaturperioden versucht sich eine Abgeordneten-Kommission der im Bundestag vertretenen Parteien an einer Wahlrechtsreform. Mit der Absicht, die Zahl der Volksvertreter im Idealfall zu verringern – allerdings ohne Erfolg. Es ist keine Einigung zu erzielen. Kein Wunder, bietet sich doch so die Gelegenheit, immer noch mehr verdiente Parteimitglieder mit einem Platz im Bundestag zu versorgen. Als Ergebnis bekommen wir jetzt das weltweit größte (demokratisch gewählte) Parlament der Welt. Geschätzte Mehrkosten allein für die personelle Aufblähung in der neuen Legislaturperiode: etwa 100 Millionen Euro. Aber wir haben es ja ...

Berndt Masuhr, per E-Mail

Frischer Wind im Bundestag

Die Veränderung hat auch etwas Gutes. Wäre die AfD bei fünf bis acht Prozent gelandet, dann hätte die Große Koalition garantiert weitergemacht. So zieht jetzt frischer Wind in die Beamtenbüros der Ministerien ein, und das wurde auch Zeit. Denn jede Veränderung bringt positive Energie mit neuen Personen. Frau Merkel sollte die nächsten vier Jahre dazu nutzen, Deutschland weiterhin weltweit positiv in Szene zu setzen und intern den richtigen Nachfolger zu suchen. Wenn sie gut ist, dann sollten es Männer sein wie Friedrich Merz. Die Frage ist nur, ob sie dabei über ihren Schatten springen kann.

Jens-Joachim Brösel, per E-Mail

Zeit für einen Neuanfang

Die historische Fehlentscheidung Merkels, die Grenzen für Flüchtlinge ohne Kontrollen und Limits zu öffnen, kostet die deutschen Bürger 50 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr. Der deutliche Linkskurs der CDU tat ein Übriges, um eine AfD zu ermöglichen und die CDU auf den Boden der Tatsachen stürzen zu lassen. Aber Merkel scheint die Realität zu ignorieren. Es ist Zeit für einen Neuanfang wie in Frankreich, mit neuem Personal.

Niko Clauder, per E-Mail

Ängste unterschätzt

Das Ergebnis der Bundestagswahl zeigt mit aller Deutlichkeit, dass die etablierten Parteien die mit dem Flüchtlingszustrom einhergehende Angst der Bevölkerung völlig unterschätzt haben. Das war ein schwerwiegendes Versäumnis der Parteien, die nunmehr die Quittung für ihre Ignoranz mit dem für sie desaströsen Ergebnis erhalten haben. Die Saat, die die AfD mit dumpfen Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ gesät hat, ist nunmehr aufgegangen. Man kann nur hoffen, dass einem Teil der Bevölkerung demnächst die Augen geöffnet werden, wenn die AfD im Bundestag weiterhin mit populistischen Parolen Propaganda zu machen sucht.

Dr. Claus Rabe, per E-Mail

Die AfD entzaubert sich von allein

Meine Befürchtung ist, dass jetzt die falschen Schlüsse aus dem Wahlergebnis gezogen werden. Herr Scholz hat das katastrophale Abschneiden der SPD in Hamburg gleich relativiert, während Frau Fegebank die AfD gar entzaubern will. Falsch! Die AfD entzaubert sich fast täglich von ganz alleine. Man muss dem Volk nur zeigen, dass in der Flüchtlingskrise auch einmal gehandelt wird und nicht nur Absichtserklärungen von den Parteien kommen. Oder hat man wirklich geglaubt, dass es dem Bürger auf Dauer vermittelbar ist, dass ein ablehnender Bescheid vom aufwendig aufgestockten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lediglich zu einer Duldung führt? Nur eine starke und handlungsfähige Demokratie besiegt Extremisten.

Roland Möck, per E-Mail