Berlin. Jim Messina sicherte Obama die Wiederwahl und mischte bei Camerons großem Sieg mit. Nun will er die SPD fit für’s Kanzleramt machen.

Am Ende seines Vortrags zeigt der große Amerikaner mit dem Babyface und den rotblonden Haaren auf der Leinwand ein Bild, das für seinen größten Triumph steht. Barack Obama nimmt am Tag seiner Wiederwahl 2012 seinen Kampagnen-Chef Jim Messina in den Arm. Der Präsident strahlt. Messinas Gesicht ist verdeckt: „Ich weine wie ein vier Jahre alter Junge“, gesteht Messina im proppevollen alten Gasometer im Berliner Westen.

Hier sitzt sonst Günther Jauch nach dem Tatort mit seinen Talkgästen. Jetzt hängen dort am Sonnabend beim SPD-„Campaign Camp“ 800 meist junge Leute an Messinas Lippen. Er gilt in Washington als PR-Messias. Spitzname „The Fixer“ - ein Mann für alle Fälle. Die jungen Genossen wollen vom Wahlkampfguru aus Washington, den die SPD für eine hübsche Summe als Berater engagiert hat, hören, ob die deutsche Sozialdemokratie das auch schaffen kann.

So ein Obama-mäßiges Bild im Herbst 2017 wäre eine Sensation: Sigmar Gabriel am Abend der Bundestagswahl als strahlender Sieger im Willy-Brandt-Haus. Vorweg: Diese Herausforderung dürfte angesichts betonharter 25-Prozent-Umfragen und einer ungebrochen beliebten Kanzlerin Merkel selbst für einen Jim Messina eine Nummer zu groß sein. „Ich hasse Umfragen“, sagt Messina in Berlin. „Die meisten sind falsch.“

Die 45-Minuten-Show, die der aus Denver in Colorado stammende Politikwissenschaftler und Journalist dann abzieht, zeigt eindrucksvoll, wie das Obama-Team vor drei Jahren mit einer „Freiwilligenarmee“ von 2,2 Millionen Leuten und 150 Millionen Kontakten über soziale Medien und an Haustüren das Weiße Haus für die Demokraten verteidigte.

Aber kann man Obamas Kampagne, die sich auf alles entscheidende, wankelmütige „Swingstates“ konzentrierte, auf einen mühseligen Wahlkampf in der weitläufigen SPD-Diaspora in Bayern, Baden-Württemberg oder im Osten übertragen? Der deutsche Datenschutz wird verhindern, dass Daten-Messias Messina für die SPD die Wählerschaft virtuell voll ausleuchten kann. Auch fehlt das Geld. Für Obamas Sieg 2012 konnte Messina 1,1 Milliarden US-Dollar ausgeben, bei seiner ebenfalls erfolgreichen Kampagne für den britischen Premier David Cameron waren es 30 Millionen Pfund.

Messinas wichtigste Aufgabe soll wohl sein, neben der Aufrüstung der Datenbanken der SPD auch ein bisschen Mut zu machen. Seine Botschaft im Gasometer an die Genossen: Bombardiert Freunde und Familie im Wahlkampf über Facebook, Twitter, Instagram & Co. mit Nachrichten und einer tollen SPD-Vision. Aber wollen die Wähler 20 Mails oder Tweets über ihren Wahlkreiskandidaten haben?

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sieht man den Stolz an, dass sie Messina nach Berlin gelockt hat. Das „Campaign Camp“ ist ihr Baby. 2013 klingelte die SPD an fünf Millionen Haustüren - es brachte nichts. Fahimi warnt, die Bürger würden sich immer mehr zurückziehen. Es gebe „demokratiefreie Zonen“, auch dort, wo die SPD mal stark gewesen sei. Um wieder näher an die Leute heranzukommen, seien Ideen und Technologien von Messina wichtig.

Aber: „Das soll hier keine Technologiemesse werden.“ Und so kündigt Fahimi eine neue SPD-Kampagne für Flüchtlinge und gegen rechtes „Pack“ auch lieber ganz traditionell an. Unter ihrer Lederjacke trägt sie ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „Deutschland heißt Willkommen“.

Für einen Social-Media-Profi wie Messina sicher ziemlich Old School. Ist er jetzt öfters in Berlin? Fahimi bleibt vage, ob der Amerikaner bis zur Wahl 2017 im SPD-Team bleibt. Messina wird auch in seiner Heimat gebraucht. Er ist Co-Chef einer wichtigen Lobbygruppe, die Hillary Clinton ins Weiße Haus hieven will. Den SPD-Anhängern ruft er noch zu, die Partei habe eine tolle Führungsmannschaft: „Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir die Wahl gewinnen.“ Sigmar Gabriel hört das nicht. Er ist gar nicht gekommen.