Den Haag. Paukenschlag in Den Haag: Langzeitpremier Rutte will sich nach dem Bruch der Regierung aus der Politik zurückziehen. Das Land steht bis zur Neuwahl vor einer Hängepartie.

Der niederländische Premierminister Mark Rutte will nach dem Bruch der Regierung die Politik verlassen. Er werde bei einer Neuwahl nicht mehr als Kandidat seiner rechtsliberalen Partei VVD für eine fünfte Amtszeit zur Verfügung stehen und sich aus der Politik zurückziehen, sagte Rutte im Parlament in Den Haag.

Die vierte Regierung des rechtsliberalen Premierministers Mark Rutte war seit Anfang 2022 im Amt. Rutte selbst ist seit knapp 13 Jahren Regierungschef der Niederlande gewesen.

Die bisherige Vier-Parteien-Koalition war am Freitagabend im Streit um die Migrationspolitik zerbrochen. Knackpunkt bei der Krisensitzung, die zum Bruch der Regierung führte, war eine Beschränkung des Familiennachzugs von Flüchtlingen, die sich bereits im Land aufhalten. Ruttes rechtsliberale Partei VVD hatte die Beschränkung gefordert. Anderen Parteien ging die Forderung zu weit.

Rutte erklärte seinen Rückzug zu Beginn einer Parlamentsdebatte über die Lage nach dem Bruch der Regierung und sagte, dass es sich um eine persönliche Entscheidung handele, die von der aktuellen Situation unabhängig sei. „Diese Debatte muss um unser Land gehen“, sagte er vor dem Beginn der Sitzung, bei der unter anderem die Opposition einen Misstrauensantrag gegen den Premier hatte stellen wollen.

Am Abend wollte König Willem-Alexander die Parlamentsvorsitzende Vera Bergkamp empfangen, die das Staatsoberhaupt über die politische Lage informieren wollte, teilte das Königshaus mit. Rutte hatte dem König den Rücktritt des Kabinetts angeboten und mit Willem-Alexander am Samstag bereits über die Lage beraten.

Bis zur Neuwahl könnte Stillstand dominieren

Eine Festlegung auf einen Termin für die Neuwahl gibt es noch nicht. Die Rede ist aber von Mitte November. Da in den Niederlanden in der Regel mittwochs an die Wahlurnen gerufen wird, könnte der Termin der 15. November sein. Sobald es dazu eine Verständigung gibt, kann Willem-Alexander das Wahldatum verkünden und den Rücktritt der Regierung annehmen. Dies war bislang noch nicht geschehen.

Bis zur Neuwahl könnte Stillstand die Arbeit der amtierenden Regierung dominieren, befürchten viele. Neben der Migrationspolitik sorgen sich die Menschen in den Niederlanden auch um die Wohnungsnot, die Energiewende sowie die Klimapolitik. Einer der großen Konflikte ist die Zukunft der Landwirtschaft angesichts angekündigter Umweltauflagen. Noch völlig offen ist, wer bei der VVD oder in einer der übrigen Parteien der Favorit für Ruttes Nachfolge sein wird.

Mit seinen knapp 13 Jahren als Premier der Niederlande ist Rutte einer der dienstältesten Regierungschefs der EU gewesen. Doch im eigenen Land ist er nach zahlreichen Affären längst nicht mehr unangefochten und zuletzt wurde ihm vor allem von Anhängern seiner Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) vorgeworfen, den stramm rechten Kurs seiner Partei verlassen zu haben. Vor allem bei Klima- und Asylpolitik sei er eingeknickt, warf ihm auch sein großer Widersacher, der Rechtspopulist Geert Wilders vor. Viele Niederländer sahen Rutte indes lange als guten Krisenmanager, einen, der den Laden zusammenhält.