Kiew/Moskau. Am kommenden Mittwoch ist es genau 15 Monate her, dass Russland die Ukraine überfiel. Moskau beschuldigt Kiew inzwischen immer häufiger, mit eigenen Truppen auf russisches Gebiet vorzudringen.

Im Ukraine-Krieg ist auch nach 15 Monaten keine entscheidende Wende in Sicht. Beide Seiten liefern sich weiterhin blutige Kämpfe mit zahlreichen Toten und Verletzten. Der Angreifer Russland beschuldigte die Ukraine, mit einem „Sabotagetrupp“ auf russisches Gebiet vorgedrungen zu sein. Zwei Menschen seien durch Minen verletzt worden.

Widersprüchliche Angaben machten beide Seiten weiterhin zur Lage in der praktisch zerstörten Stadt Bachmut. Moskau behauptet, die Stadt im Osten der Ukraine unter Kontrolle zu haben. Kiew bestreitet das.

Nach dem Beschuss in der russischen Grenzregion Belgorod nahe der Ukraine haben die Behörden Terroralarm in dem Gebiet verhängt. Die Maßnahme diene der Sicherheit der Bevölkerung, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf seinem Telegram-Kanal mit. Zuvor gab der Beamte bekannt, dass die Zahl der Verletzten auf sechs gestiegen sei. Das Anti-Terror-Regime sieht Personenkontrollen oder die Schließung von Fabriken vor, die gefährliche Güter wie Sprengstoff, radioaktive oder chemische und biologische Gefahrenstoffe produzieren.

Die aus Russen bestehende Einheit „Legion Freiheit Russlands“ teilte im ukrainischen Fernsehen mit, sie wolle gemeinsam mit dem „Russischen Freiwilligenkorps“ eine „entmilitarisierte Zone entlang der Grenze“ schaffen. So solle verhindert werden, dass russisches Militär die Ukraine beschieße.

Weiter Spekulationen über Gegenoffensive

Russland hatte am 24. Februar des vergangenen Jahres einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen und beschießt immer wieder ukrainische Städte und Ortschaften. In den vergangenen Monaten klagten aber auch russische Regionen über zunehmenden Beschuss von ukrainischer Seite aus. Militärexperten erwarten seit längerem eine ukrainische Gegenoffensive. Da die Stoßrichtung einer solchen Gegenoffensive noch unbekannt ist, spekulieren Experten über Vorstöße auf russisches Gebiet, um dort Kräfte zu binden.

Lage in Bachmut unklar

Unklar blieb weiterhin, ob die einstige 70.000-Einwohner-Stadt Bachmut im Gebiet Donezk nun unter russischer Kontrolle ist, wie dies Moskau kürzlich behauptete. Der ukrainischen Regierung zufolge wehren sich dort weiterhin ukrainische Soldaten gegen die Angriffe. Vize-Verteidigungsministerin Hannah Maljar behauptete: „Unsere Truppen kontrollieren in Bachmut gewisse Objekte und im Stadtteil „Flugzeug“ den Sektor mit Einfamilienhäusern.“ Zivilisten gibt es in Bachmut kaum noch. Von unabhängiger Seite lassen sich die Angaben beider Seiten zum Kriegsverlauf kaum überprüfen.

Westliche Experten sehen Wagner-Truppe geschwächt

Die russische Privatarmee Wagner des Geschäftsmannes Jewgeni Prigoschin ist nach Einschätzung westlicher Experten durch die Kämpfe um Bachmut geschwächt. Die Söldner seien kaum noch zu neuen Angriffen außerhalb der Stadt in der Lage, schrieb das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington. Prigoschin hatte nach seiner Erfolgsmeldung über eine Einnahme Bachmuts angekündigt, seine Truppen noch in diesem Monat von dort abzuziehen.

Russland nennt F16-Jets nutzlos

Die geplante Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine aus dem Westen bezeichnete Russland als nutzlos für den Kriegsverlauf. Auch die Ausbildung ukrainischer Piloten an den F-16 werde Kiew nicht helfen, sagte Vize-Außenminister Sergej Rjabkow. „All diese Anstrengungen sind völlig nutzlos. Unsere Fähigkeiten sind so, dass alle Ziele der militärischen Spezialoperation mit Sicherheit erreicht werden.“ Russland nennt den Krieg „militärische Spezialoperation“.

Selenskyj sieht G7-Beschlüsse als Erfolg

US-Präsident Joe Biden hatte beim G7-Gipfel der führenden demokratischen Industrienationen den Weg für Lieferungen von F-16 freigemacht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verbuchte den Gipfel in seiner abendlichen Videoansprache als Erfolg. Moskau hingegen kritisierte, die G7-Beschlüsse seien gegen Russland und auch gegen China gerichtet.

AKW Saporischschja wieder am Netz

Das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine wurde unterdessen wieder ans Stromnetz angeschlossen, wie der Betreiber Ukrenerho mitteilte. Eine Hochspannungsleitung war zuvor durch Beschuss beschädigt worden. Die Kühlungssysteme mussten mit Dieselgeneratoren betrieben werden. Das größte Atomkraftwerk Europas ist seit März vergangenen Jahres unter Moskauer Kontrolle. Artillerieduelle um das Kraftwerksgelände hatten im vergangenen Sommer Sorge vor einer Atomkatastrophe ausgelöst.