Bachmut. Mit Frontalangriffen versucht Russland im ukrainischen Donbass-Gebiet voranzukommen. Als eine der wichtigsten Waffen fungiert dabei die Söldnertruppe „Wagner“. Deren Chef Jewgeni Prigoschin gewinnt weiter an Einfluss in Moskau.

Zehn Monate nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine stützt sich Präsident und Oberbefehlshaber Wladimir Putin zunehmend auf Söldner der privaten „Wagner“-Gruppe. Die aus vielen Strafgefangenen gebildete und nach US-Angaben angeblich auch mit Waffen aus Nordkorea versorgte Truppe kämpft an zahlreichen Fronten der Ukraine - auch um die Kleinstadt Bachmut im Norden der Region Donezk, wo derzeit die größten Gefechte toben.

Die Truppen hätten Ziele in der von Ukrainern gehaltenen Stadt und in zahlreichen Vororten vernichtet, berichteten russische Militärblogger zufrieden.

Vor Bachmut sind auf russischer Seite vor allem die Söldner der „Wagner“-Truppe aktiv. Die Gruppe gewann seit Beginn des Krieges am 24. Februar zunehmend an Bedeutung. Seit Monaten belagern die besser als die Soldaten bezahlten Kämpfer die kleine Industriestadt. Große Geländegewinne haben sie mit den Angriffen auf die in der Region stark befestigten Verteidigungsanlagen nicht erzielt.

Aber immerhin ist es Moskau durch die für beide Seiten verlustreichen Kämpfe gelungen, nach den verheerenden Niederlagen im Herbst in den Gebieten Charkiw und Cherson die Initiative zurückzugewinnen und dem Krieg den offenbar von russischen Truppen bevorzugten Charakter einer Abnutzungsschlacht zu geben. Das Kampfgelände ist durch die ständigen Artilleriebeschüsse so durchgewühlt, der Boden so von Toten übersät, dass es schon Vergleiche zu der Schlacht von Verdun gibt.

USA: Zehntausende „Wagner“-Söldner in Ukraine stationiert

Allein in den letzten Wochen sind nach Einschätzung der US-Regierung etwa 1000 „Wagner“-Söldner bei Bachmut getötet worden. Rund 90 Prozent von ihnen seien in Gefängnissen rekrutierte Insassen gewesen, sagte der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, John Kirby. In der Ukraine sind nach Angaben des Weißen Hauses Zehntausende „Wagner“-Mitglieder stationiert. Man schätze, dass derzeit 50.000 Söldner in der Ukraine im Einsatz seien, darunter 40.000 Strafgefangene, sagte Kirby, am Donnerstag in Washington.

Die Gefangenen stammten aus russischen Gefängnissen. In bestimmten Fällen sei das russische Militär dem Kommando der „Wagner“-Gruppe unterstellt. Rekrutiert wurden die Gefangenen teilweise vom Gründer und Finanzier der Gruppe, Jewgeni Prigoschin, selbst. Im September hatte der langjährige Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin, der zu Sowjetzeiten selbst unter anderem wegen eines Raubüberfalls eine Haftstrafe absitzen musste, seine Verbindung zur Söldnertruppe erstmals eingeräumt. Seither brüstet sich der als „Putins Koch“ bekannte Unternehmer immer offener mit den angeblichen Errungenschaften Wagners.

Im Machtkampf mit dem starren Apparat des Verteidigungsministeriums in Moskau um Einfluss und Ressourcen betont der 61-Jährige die fehlende Bürokratie bei der Versorgung seiner Truppen und der Kampfführung. Tatsächlich gilt die „Wagner“-Truppe als die inzwischen am besten ausgerüstete Einheit unten den russischen Kämpfern in der Ukraine. Dies gelingt wohl auch durch Umgehung des Dienstwegs.

Waffen aus Nordkorea und dem Iran

So gab Kirby an, dass „Nordkorea eine erste Waffenlieferung an „Wagner“ abgeschlossen“ habe - die Söldnergruppe habe dafür bezahlt. „Wir gehen davon aus, dass die Menge an Material, die an "Wagner" geliefert wurde, die Dynamik auf dem Schlachtfeld und in der Ukraine nicht verändern wird, aber wir sind auf jeden Fall besorgt, dass Nordkorea plant, mehr militärische Ausrüstung zu liefern.“

Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield teilte mit, Nordkorea habe die Waffen im vergangenen Monat geliefert. „Es ist verabscheuungswürdig, dass Russland, ein permanentes Mitglied des UN-Sicherheitsrats - in Verletzung von Resolutionen des UN-Sicherheitsrats - nun Waffen aus Nordkorea und aus dem Iran benutzt, um seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu führen“, so Thomas-Greenfield.

Neben Nordkorea liefert der Iran Waffen an Russland. Von den Drohnen profitiert dabei auch die „Wagner“-Truppe. Prigoschin selbst allerdings dementiert, dass seine Söldner mit nordkoreanischem oder iranischem Equipment ausgerüstet werden. Die Einheit habe „ziemlich viele amerikanische Waffen gekauft“, teilte der Pressedienst seiner Firma „Konkord“ mit.

Versorgung mit Munition gewinnt an Gewicht

Die reibungslose Versorgung der Einheiten wird eins der wichtigsten Themen in den kommenden Monaten. Schon jetzt zeichnet sich nämlich auf beiden Seiten ein Waffen- und vor allem Munitionsmangel bei den Kampfparteien ab. In Europa würden die Produktionskapazitäten knapp, teilte das Wall Street Journal am Donnerstag mit. Kremlchef Putin erklärte zwar zur gleichen Zeit, dass die russische Rüstungsindustrie ihre Leistungsfähigkeit deutlich ausbauen werde. Nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes verspürt Moskau allerdings bereits jetzt einen deutlichen Mangel an Munition.

„Wagner“ hat hierbei die geringsten Probleme. Die Rolle Prigoschins, der seine Einheit selbst finanziert und versorgt, dürfte somit nach Einschätzung von Beobachtern weiter steigen - und damit auch sein politischer Einfluss in Moskau. Das amerikanische Institute for the Understanding of the War (ISW) vermutet, Prigoschin habe „ambitionierte politische Ziele und versucht, aus dem Bedarf des Kremls nach mehr einsatzfähigen Kräften Kapital zu schlagen, seinen Einfluss auszubauen und der ultranationalistischen Wählerschaft zu gefallen“, teilte das ISW mit.