Edinburgh. Die schottische Regierung will es Transmenschen leichter machen, ihr Geschlecht anzupassen. Doch das Vorhaben steht in der Kritik. Eine der lautesten Gegnerinnen ist die „Harry Potter“-Autorin.

Die Frage, was eine Frau ausmacht, hat mittlerweile auch „Harry Potter“ erreicht. Erfolgsautorin Joanne K. Rowling zählt zu den prominentesten Kritikerinnen eines Gesetzesvorhabens, mit dem die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon die Entscheidung über das eigene Geschlecht den Betroffenen selbst überlassen will.

Rowling gegen Sturgeon - die wohl prominentesten Einwohnerinnen des britischen Landesteils sind zu den Gesichtern eines emotionalen Ringens geworden. Auf einem T-Shirt kritisierte die Schriftstellerin die Politikerin als „Zerstörerin von Frauenrechten“, wiederholt machte sie sich über die Debatte lustig. Wochenlang diskutierten „Harry Potter“-Fans und auch die Darsteller, ob die Schöpferin des Zauberlehrlings transphob sei. Sturgeon antwortete, es gehe darum, einen „erniedrigenden und traumatischen“ Prozess zu reformieren.

Als Transmenschen oder Transgender werden Personen bezeichnet, die sich dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig fühlen.

Regionalregierung will Geschlechtsanpassung vereinfachen

Für die Regionalregierung ist die Sache klar. Sie will - wie auch die Ampel-Koalition in Deutschland - den oft langwierigen und bürokratischen Prozess der Geschlechtsanpassung in offiziellen Dokumenten beschleunigen und vereinfachen. Die wichtigsten Punkte: Transmenschen benötigen kein medizinisches Gutachten mehr. Zudem sinkt die Altersschwelle von 18 auf 16 Jahre.

So sieht es ein Gesetzentwurf vor, den die Abgeordneten des schottischen Parlaments in Edinburgh zwei Tage diskutierten. Es war eine Mammutdebatte: Gleich 153 Änderungsanträge lagen vor.

Vergiftete Debatte um Pro und Contra

Denn was auf dem Papier einfach klingt, schlägt im Land hohe Wellen. Eine vergiftete Stimmung hat die britische Sonntagszeitung „Observer“ ausgemacht. Die einen sind der Ansicht, dass die selbsterklärte Geschlechtsidentität einer Person wichtiger sei als das biologische Geschlecht. Wer sich als Frau identifiziere, solle problemlos Orte nutzen dürfen, die nur für Frauen vorgesehen sind wie Toiletten oder Umkleiden. Die schottische Regierung erwartet, dass sich die Zahl der Menschen, die ihr Geschlecht offiziell anpassen, verzehnfachen wird.

Die anderen erachten das biologische Geschlecht als wichtiger. Sie warnen, die Selbstidentifikation erhöhe das Risiko für Frauen und Mädchen. So könne jeder Mann eine Erklärung unterzeichnen und dürfe dann Zugang zu Räumen zu haben, in denen Frauen sich ausziehen und verwundbar sind. Ähnlich äußerte sich die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Mädchen und Frauen, Reem Alsalem. Die Zeitung „Scotsman“ mahnte, Regierungschefin Sturgeon soll der Diskussion mehr Zeit geben und solange auf die Durchsetzung verzichten.

Mehrheit für Entwurf scheint sicher

Doch die Politikerin will das Vorhaben durchziehen. Zwar lehnen auch einige Abgeordnete ihrer Schottischen Nationalpartei (SNP) das Gesetz ab. Ministerin Ash Regan legte sogar ihren Kabinettsposten nieder, weil sie nicht dafür stimmen wollte. Doch haben sich nicht nur die Grünen, die mit der SNP kooperieren, für den Entwurf ausgesprochen, sondern auch Abgeordnete der Oppositionsparteien Labour und Liberaldemokraten. Erwartet wird daher, dass das Gesetz durchkommt.

„Wenn das Parlament diesem Entwurf zustimmt, wird es einen bedeutenden Schritt vorwärts machen, um ein gleichberechtigteres Schottland zu schaffen, in dem sich Transmenschen geschätzt, einbezogen und ermächtigt fühlen“, sagte Shona Robison, Ministerin für soziale Gerechtigkeit. „Trans-Rechte stehen nicht in Konkurrenz zu Frauenrechten“, betonte sie.

Hinter der schottischen Grenze aber wartet weiterer Widerstand. Die Gleichstellungsbeauftragte der britischen Regierung, Kemi Badenoch, warnte Sturgeon, ihr Vorhaben werde für Chaos sorgen - auch weil es dann erhebliche Unterschiede in Schottland und England gebe. Der Streit könnte deshalb vor dem Obersten Gericht in London landen.