Annan nennt gegenseitige Schuldzuweisungen im Sicherheitsrat als Grund. Aussichten für diplomatische Lösung schwinden. Obama ermächtigt CIA zur Unterstützung der Aufständischen. Syrische Regierungstruppen bombardieren weiter Aleppo.

New York/Genf/Aleppo. Der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan gibt auf. Der im Auftrag von Uno und Arabischer Liga seit Monaten um eine diplomatische Lösung des Bürgerkriegs in dem arabischen Land bemühte frühere UN-Generalsekretär bat beide Organisationen am Donnerstag, sein am 31. August auslaufendes Mandat nicht zu verlängern. Einer der Gründe für seinen Schritt seien die gegenseitigen Schuldzuweisungen unter den Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bedauerte die Entscheidung und kündigte Gespräche mit der Arabischen Liga über einen Nachfolger an.

Mit Annans Entscheidung schwinden die Aussichten auf eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts weiter. Diplomaten zufolge haben die USA und Golf-Anrainer zunehmend frustriert auf Annans Beharren auf einer Verhandlungslösung reagiert. Aus ihrer Sicht sind alle Möglichkeiten dafür ausgeschöpft. Hinzu kommt der Streit unter den fünf Vetomächten im Rat über Sanktionen gegen Präsident Baschar al-Assad. Russland und China haben mit ihrem Veto drei Syrien-Resolutionen zu Fall gebracht.

Die USA und Russland reagierten mit gegenseitigen Schuldzuweisungen auf Annans Rücktritt. Der Schritt werfe ein Licht auf die Blockadehaltung Russlands und Chinas, erklärte das US-Präsidialamt. Der russische Präsident Wladimir Putin bedauerte die Entscheidung Annans. Es sei eine „wahre Schande“, dass ein so brillanter und respektierter Diplomat gehe, erklärte Putin russischen Agenturberichten zufolge in London.

Annan zeigte sich überzeugt, dass die Suche nach einem neuen Sonderbeauftragten für Syrien erfolgreich verlaufen wird. „Die Welt ist voller verrückter Leute wie ich. Seien sie also nicht überrascht, wenn Generalsekretär Ban jemanden findet, der eine bessere Arbeit macht als ich.“

Die USA unterstützen die Kämpfer gegen das Regime von Staatschef Assad unterdessen immer unverhohlener: Mit einer geheimen Order habe US-Präsident Barack Obama dem mächtigen Geheimdienst CIA und den anderen US-Diensten die Genehmigung erteilt, den Rebellen zu helfen, verlautete aus Regierungskreisen. Der Westen nimmt damit in Syrien immer mehr Einfluss, nachdem zuvor mehrere Anläufe für ein gemeinsames Vorgehen des UN-Sicherheitsrats am Veto Russland und Chinas gescheitert waren.

Usa unterstützen Assads Gegner immer unverhohlener

In Syrien steuert der Bürgerkrieg auf eine Wende zugunsten der Rebellen zu, die inzwischen auch Hilfe vom US-Geheimdienst CIA erhalten. Nahe der Wirtschaftsmetropole Aleppo eröffneten die Rebellen am Donnerstag mit einem erbeuteten Panzer das Feuer auf den Militärflughafen Menach, von dem aus die Kampfjets und Hubschrauber der Regierungstruppen zum Beschuss der Stadt starten.

In Aleppo bemühten sich die Rebellen, die Kontrolle über Gebiete in ihrem Machtbereich zu festigen. Seit Tagen greifen sie immer wieder Polizeiwachen oder kleinere Militärposten an. Die Regierungstruppen bombardierten unterdessen erneut mit Kampfflugzeugen, Panzern und Artillerie den seit einer Woche umkämpften Salaheddine-Distrikt im Südwesten der Stadt, der ein Einfallstor in die Metropole bildet. Salaheddine gehört zum Bogen der Rebellengebiete, der sich bis in den Nordosten Aleppos hinzieht.

Momentan hat keine der beiden Konfliktparteien den strategisch wichtigen Distrikt völlig unter Kontrolle. Die Regierungstruppen mühen sich seit Tagen vergeblich, mehrere tausend Kämpfer zu vertreiben, die sich in der Stadt verschanzt haben. Obwohl sie Salaheddine massiv beschossen, steht ein koordinierter Sturm Aleppos noch aus. Der Mobilfunk ist seit Mittwoch lahmgelegt, was Anwohner als Zeichen werten, dass ein Militärangriff kurz bevorstehen könnte.

Der Aufstand hatte Aleppo lange nicht erfasst. Nun jedoch sind viele der 2,5 Millionen Einwohner in den Kampfzonen gefangen, es mangelt ihnen an Lebensmitteln, Treibstoff, Wasser und Kochgas. Tausende Menschen sind auf der Flucht. Nach einer Woche Kämpfen können Krankenhäuser und Behelfskliniken den Andrang der Verletzten kaum noch bewältigen.

„Die humanitäre Lage in Aleppo verschlechtert sich und der Bedarf an Lebensmitteln steigt rapide“, erklärte das Welternährungsprogramm (WFP). Es kündigte an, Notfallnahrung für bis zu 28.000 Menschen in die Stadt zu schicken. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass bis zu drei Millionen Syrer in den nächsten zwölf Monaten auf Lebensmittel und andere Hilfsgüter angewiesen sein werden, weil die Kämpfe die Bauern von der Ernte abhalten.