Berlin/Moskau. Die Konsequenzen des russischen Sendeverbots sind für die Deutsche Welle spürbar: Das Moskauer Büro ist dicht. Während sich die Kritik an Russland mehrt, warnt Moskau Deutschland vor einer Zuspitzung.

Die Kritik an Russland wegen des Sendeverbots für den deutschen Auslandssender Deutsche Welle (DW) wird lauter. EU und Bundesregierung verurteilten das Vorgehen und sehen die Medienfreiheit eingeschränkt.

Moskau warnte vor einer Eskalation der Lage und forderte erneut, dass das deutschsprachige Programm des russischen Staatssenders RT DE in der Bundesrepublik ausgestrahlt werden darf.

Korrespondenten dürfen nicht mehr arbeiten

Das DW-Büro in Moskau wurde am heutigen Freitag geschlossen, wie der Sender der dpa bestätigte. Die Korrespondenten hätten im russischen Außenministerium ihre Akkreditierungen abgegeben und dürften nun nicht mehr arbeiten, während die RT-Vertreter in Deutschland weiter tätig sein durften.

Der Fall Deutsche Welle überschattet das für den 15. Februar geplante Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau in der ohnehin schwierigen diplomatische Lage wegen der Ukraine-Krise. Die Schließung der DW-Repräsentanz gilt als ein weiterer schwerer Schlag gegen die gespannten deutsch-russischen Beziehungen. Russland hatte etwa auch mehrere deutsche Nichtregierungsorganisationen, die sich für zivilgesellschaftliche Kontakte einsetzten, für unerwünscht erklärt. Deshalb ist der deutsch-russische Petersburger Dialog eingefroren.

EU: Entscheidung inakzeptabel

Russland hatte am Vortag das Sendeverbot verhängt. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sagte, die Entscheidung sei inakzeptabel und entbehre jeglicher Begründung. "Die Reaktion der russischen Behörden zeigt bedauerlicherweise einmal mehr, dass sie die Medienfreiheit anhaltend verletzen und die Unabhängigkeit der Medien missachten."

Das russische Außenministerium warnte indes vor einer Zuspitzung des Konflikts. "Wenn Deutschland auf Eskalation aus ist, dann werden wir entsprechend antworten", sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa in Moskau. "Wenn Deutschland sich auf eine Normalisierung der Situation einlässt, dann antworten wir auch so, dass wir bereit sind, die Lage zu normalisieren."

Mit dem beispiellosen Schritt gegen die Deutsche Welle reagierte Russland auf ein Sendeverbot von RT DE, das die deutschen Medienregulierer am Mittwoch ausgesprochen hatten. Diese nannten als Grund das Fehlen einer Rundfunklizenz für Deutschland. Die DW verfügte dagegen über eine Sendelizenz in Russland. RT DE hatte sein deutschsprachiges Programm Mitte Dezember über mehrere Verbreitungswege gestartet. In Deutschland braucht man für bundesweite TV-Programme eine Rundfunklizenz.

Der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Wolfgang Büchner, sagte in Berlin: "Wir appellieren sehr eindringlich an die russische Seite, die lizenzrechtlichen Probleme des Senders RT nicht für eine Beschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit zu missbrauchen." Die zuständigen Medienregulierer in Berlin teilten auf dpa-Anfrage mit, dass weiterhin kein Antrag für eine Rundfunklizenz des Programms von RT DE gestellt worden sei. RT DE zeigte zugleich auch weiterhin sein deutschsprachiges Live-Programm auf seiner Webseite.

RT - früher Russia Today - sendet etwa in den USA und anderen Ländern unter anderem auf Spanisch und Arabisch und sieht sein deutschsprachiges Programm als Beitrag zur Meinungsvielfalt in Europa. Kritiker werfen RT Kremlpropaganda und Desinformation vor.

Moskau übt Druck aus

Russland fordert, dass das deutschsprachige Programm des Staatssenders RT DE in Deutschland ausgestrahlt werden darf - und würde dann entsprechend auch der DW das Arbeiten wieder erlauben. Die Chefredakteurin von RT, Margarita Simonjan, teilte mit, dass nach ihrer Kenntnis Bundesaußenministerin Annalena Baerbock das Thema unlängst bei ihrem Treffen mit ihrem Kollegen Sergej Lawrow in Moskau nicht habe erörtern wollen. Deutschland sei demnach auch ein Kompromiss für einen Ausweg aus dem Konflikt vorgeschlagen worden.

Die Deutsche Welle teilte auf Anfrage mit, dass die Aufenthaltsvisa der Journalisten, die ihre Akkreditierungen abgegeben hätten, vorläufig noch ihre Gültigkeit behielten. Es sei zudem von russischer Seite mitgeteilt worden, dass in der nächsten Woche - ohne einen festen Termin zu nennen - weitere Besprechungen geplant seien. Außenministeriumssprecherin Sacharowa sagte, dass in der DW-Repräsentanz 19 Mitarbeiter vom Akkreditierungsentzug betroffen seien, darunter drei mit nicht-russischer Staatsbürgerschaft. Ihre Visa blieben gültig, sie müssten das Land nicht verlassen.

Die DW teilte auf ihrer Internetseite unter dem Stichwort "Pressefreiheit" mit: "Das Büro der Deutschen Welle in Moskau ist geschlossen. Der deutsche Auslandssender fügt sich damit dem von der russischen Regierung erteilten Sendeverbot." Zu sehen war auch Büroleiter Juri Rescheto, der eine Mitarbeiterin umarmte.

© dpa-infocom, dpa:220204-99-968920/6