Washington. In der vergangenen Woche sollte eigentlich der große Durchbruch für die gewaltigen Investitionspläne von US-Präsident Biden kommen. Doch das dauert nun länger - und löst Frust aus.

Im Ringen der US-Demokraten um die von Präsident Joe Biden geplanten großen Investitionspakete für das Land zeichnet sich eine längere Hängepartie ab. Die Beteiligten deuteten an, dass sich die Verhandlungen noch Wochen hinziehen könnten.

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, gab am Samstag den 31. Oktober als neue Frist aus, um über das eine Paket abzustimmen und zu dem anderen Paket eine Grundsatzentscheidung zu finden. Biden sagte mit Blick auf die wachsende Ungeduld mancher Parteikollegen wegen der Pattsituation zwischen verschiedenen Lagern bei seinen Demokraten: "Jeder ist frustriert", das gehöre zum Regieren aber nun mal dazu. Er zeigte sich zugleich zuversichtlich, dass es ihm gelingen werde, die Pakete am Ende durchzusetzen.

Nach einer Woche intensivster Verhandlungen verabschiedete sich der Präsident über das Wochenende in seinen Heimatbundesstaat Delaware. In der kommenden Woche will Biden bei einem Trip im Land öffentlich für seine Pläne werben und weiter mit Kongressmitgliedern verhandeln.

Biden versucht seit Wochen, die beiden zentralen Vorhaben seiner Präsidentschaft zu retten: ein groß angelegtes Paket für Investitionen in die Infrastruktur des Landes und ein zweites gewaltiges Paket mit Investitionen für Soziales. Eigentlich war Ziel der Demokraten gewesen, in der vergangenen Woche zu Entscheidungen zu kommen und die Pläne im Kongress formal voranzutreiben. Doch der erhoffte Durchbruch blieb aus. Die Lage ist verfahren.

Eigene Partei im Weg

Hintergrund sind Auseinandersetzungen verschiedener Flügel der Partei, die seit Wochen um Details der Investitionsprogramme ringen. Biden betonte, in der Bevölkerung gebe es große Unterstützung für die Pläne, nichts daran sei radikal. Er werde "wie der Teufel" für die Vorhaben kämpfen. Zugleich sagte er mit Blick auf die schwierigen Verhandlungen, er sei ein Realist. Er habe viele Jahre im Senat gesessen und wisse, wie Gesetzgebung funktioniere.

Am Freitag hatte der Präsident der demokratischen Fraktion im Repräsentantenhaus einen seltenen Besuch abgestattet, um für einen Kompromiss zu werben. Dabei rief er zu Geduld auf. Es komme nicht darauf an, wann es zu einer Einigung komme, sagte Biden im Anschluss. "Es ist egal, ob es in sechs Minuten, sechs Tagen oder sechs Wochen ist. Wir werden es schaffen."

Nach Verhandlungen in der vergangenen Woche, in denen die Demokraten mehrere selbst gesetzte Fristen für eine Einigung verschoben hatten, scheint das Tempo nun etwas gedrosselt. Das Weiße Haus teilte mit, Biden bleibe während des Wochenendes in Kontakt mit Mitgliedern aus Senat und Repräsentantenhaus. In der kommenden Woche werde er dann wieder Kongressmitglieder im Weißen Haus empfangen und zugleich bei Veranstaltungen im Land für seine Agenda werben.

3,5 Billionen für Infrastruktur

Das Paket mit klassischen Infrastrukturinvestitionen, mit dem Straßen, Brücken sowie andere Verkehrs- und Energienetze in den USA modernisiert werden sollen, hatte im August nach monatelangen Verhandlungen bereits den Senat passiert - mit Unterstützung von Republikanern. Vorgesehen sind über die nächsten Jahre verteilt rund 550 Milliarden US-Dollar an neuen Investitionen in die Infrastruktur. Insgesamt, inklusive schon vorher veranschlagter Mittel, hat das Paket einen Umfang von mehr als einer Billion Dollar. Es fehlt aber noch das abschließende Votum im Repräsentantenhaus.

Die Abstimmung war ursprünglich in der vergangenen Woche geplant gewesen, wurde aber mehrfach verschoben. Hintergrund sind schwere Auseinandersetzungen unter den Demokraten über das zweite von Biden geplante Paket mit noch größeren Investitionen in Sozialleistungen. Biden will etwa mehr in Bildung und Kinderbetreuung investieren, Familien mehr unterstützen und sie steuerlich entlasten sowie zugleich Geld für den Kampf gegen die Klimakrise in die Hand nehmen. Dieses Paket hat seinen Plänen nach einen Umfang von 3,5 Billionen Dollar, ebenfalls verteilt über mehrere Jahre. Finanziert werden soll es durch Steuererhöhungen für Konzerne und Spitzenverdiener und das konsequentere Eintreiben fälliger Abgaben.

Jede Stimme zählt

Gegen dieses zweite Paket haben sich die Republikaner rigoros gesperrt. Daher wollen die Demokraten es mit Hilfe eines parlamentarischen Sonderverfahrens aus eigener Kraft durch den Kongress bringen. Sie haben in beiden Kammern aber nur sehr knappe Mehrheiten und können dies nur vereint stemmen. Einige moderate Demokraten sehen die hohen Ausgaben allerdings kritisch, während progressive Demokraten auf möglichst große Investitionen pochen. Letztere drohen damit, das Infrastrukturpaket zu blockieren, sofern nicht zugleich das zweite Paket gesichert ist. Moderate Demokraten wiederum wollen ein rasches Votum zum Infrastrukturpaket.

Pelosi stellte in einem Rundschreiben an ihre Fraktion erneut klar, es müsse eine Grundsatzeinigung zum zweiten Paket stehen, bevor sie eine Abstimmung über das Infrastrukturpaket ansetzen werde.

Das Repräsentantenhaus beschloss am Freitagabend im Zusammenhang mit dem Infrastrukturpaket zunächst lediglich, bestimmte bereits ausgelaufene Verkehrsprogramme bis zum 31. Oktober zu verlängern. So soll verhindert werden, dass Tausende Mitarbeiter im Transportwesen zwangsweise beurlaubt werden müssten. Der Senat stimmte der Übergangslösung am Samstag ebenfalls zu. Pelosi mahnte in ihrem Schreiben, das Infrastrukturpaket müsse nun vor dieser neuen Frist Ende Oktober verabschiedet werden - "je früher, desto besser".

Biden dürfte große Abstriche an seinem zweiten Investitionspaket machen müssen, um eine Mehrheit dafür auf die Beine zu stellen und so auch das bereits ausverhandelte Infrastrukturpaket zu retten. Für ihn sind die Pakete zentrale Vorhaben seiner Präsidentschaft.

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