Johannesburg. Nach einer Woche der Gewalt geht in Teilen Südafrikas das Militär in Stellung. Obwohl es noch vereinzelte Übergriffe gibt, setzt neben den Aufräumarbeiten nun auch die Ursachenforschung ein.

Die tagelangen Proteste und Plünderungen in Teilen Südafrikas mit mindestens 212 Toten wurden nach Angaben von Präsident Cyril Ramaphosa durch Hintermänner koordiniert.

In einem durch drei Armee-Panzer gesicherten Einkaufszentrum in der Hafenstadt Durban verurteilte er am Freitag die Gewalt als Angriff auf die Demokratie. "Es ist offenkundig, dass zu all diesen Zwischenfällen und Plünderungen angestiftet wurde; es gab Leute, die sie geplant, die sie koordiniert haben", sagte der 68-Jährige. Demnach wurden einige identifiziert. Sie werden gesucht. "Wir werden keine Anarchie und Unruhe in unserem Land gestatten", betonte er.

In einer Ansprache am späten Freitagabend sprach Ramaphosa sogar von einem "Aufstand". Ziel der ungenannten Hintermänner sei eine Destabilisierung der Wirtschaft gewesen. Anders als angenommen sei die Gewalt nicht ethnisch bedingt. Die Regierung sei auf die Zerstörung und Sabotageakte schlecht vorbereitet gewesen, gab Ramaphosa am Abend zu.

Noch keine vollständige Normalität

Die Zahl der Toten könne noch weiter steigen, gab die Ministerin im Präsidialamt, Khumbuzo Ntshaveni, später bekannt. Trotz vereinzelter Übergriffe vor allem in der Küstenprovinz KwaZulu-Natal habe das Militär die Lage weitgehend unter Kontrolle gebracht, so dass wichtige Verkehrsachsen nun geöffnet würden. "Die Lage in den beiden Provinzen kehrt graduell, aber sicher zurück zur Normalität", sagte Ntshaveni. Insgesamt habe es bisher mehr als 2550 Festnahmen gegeben.

In dem bei Johannesburg gelegenen Township Alexandra warnte der Streitkräfte-Chef, General Rudzani Maphwanga, nach der demonstrativen Landung eines schweren Transporthelikopters: "Wir werden Gewalt mit Gewalt beantworten; wir werden keine ökonomische Sabotage erlauben."

Südafrikas Regierung hat nun 25.000 Soldaten mobilisiert, um die gewalttätigen Proteste in den betroffenen Provinzen KwaZulu-Natal und dem Ballungsgebiet um die Städte Pretoria und Johannesburg (Gauteng-Provinz) zu beenden. Es handelt sich um einen der größten Militäreinsätze seit Bestehen eines demokratischen Südafrikas. Sie werden vorsorglich auch in anderen Provinzen eingesetzt.

Gewalt führt zu Versorgungsengpässen

Laut Ramaphosa kamen allein in KwaZulu-Natal 180 Menschen ums Leben. Dort verschärfen sich die Versorgungsengpässe. Raffinerie-Schließungen führten zu langen Schlangen vor Durbans wenigen offenen Tankstellen. Die Regierung warnte vor Hamsterkäufen und verbot das Befüllen von Benzinkanistern. Da auch Drogerien und Kliniken geplündert wurden, sind Medikamente knapp. Nach Angaben der Molkerei-Organisation Sampro müssen Landwirte auch Milch vernichten, da kein Transport von den Ställen möglich ist.

Die Proteste richteten sich zuerst gegen die Inhaftierung des aus KwaZulu-Natal stammenden Ex-Präsidenten Jacob Zuma, der eine 15 Monate lange Haftstrafe wegen Missachtung der Justiz antreten musste. Dem Protest folgten heftige Ausschreitungen. Auf die Frage nach einer Begnadigung sagte Ntshaveni: "Der Justizminister hat klargemacht, dass sich Ex-Präsident Jacob Zuma innerhalb von drei Monaten und drei Wochen für eine Begnadigung qualifiziert und für eine Begnadigung aus medizinischen Gründen, wenn er einen Antrag stellt."

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