Johannesburg. In Südafrika setzen sich die Plünderungen und Proteste fort. Inzwischen greift die Gewalt auf weitere Regionen über. Eine einflussreiche Person meldet sich zu Wort - und ruft zur Ordnung.

Nach tagelangen gewalttätigen Protesten und Plünderungen mit mindestens 72 Toten in Teilen Südafrikas formiert sich in einigen Provinzen ziviler Widerstand.

Aus Townships rund um Städte wie Kapstadt, Mahikeng oder East London kamen Berichte über zivile Anwohnergruppen, die ihre Infrastruktur gegen Plünderer zu schützen versuchten. Der junge Monarch der in der betroffenen Provinz KwaZulu-Natal lebenden Volksgruppe der Zulu, König Misuzulu, forderte in einer landesweit übertragenen Rede ein Ende des Chaos. "Es hat große Schande über uns gebracht; das Volk meines Vaters begeht Selbstmord", meinte er. Die Plünderungen müssten umgehend aufhören.

Der König hat großen Einfluss in der Zulu-Bevölkerung, der auch Ex-Präsident Jacob Zuma angehört. Er war nach dem Tod seines Vaters erst vor kurzem inthronisiert worden. "Ich rufe die Zulu-Nation auf, sich von der Zerstörung unserer Nation Südafrika zurückzuziehen", forderte er. Sie zerstöre die Wirtschaft des Landes und auch zahlreiche Jobs der Armen. Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen rief er auch dazu auf, die starke indischstämmige Bevölkerung in KwaZulu-Natal als Brüder und Schwestern zu behandeln.

Die Provinz war besonders schwer betroffen von der Gewalt, die sich zunächst an der Inhaftierung Zumas entzündet hatte. Dort gab es auch am Mittwoch weitere Berichte über Plünderungen.

Die Gewalt und die durch sie hervorgerufenen Störungen in den Logistikketten nährt bei Südafrikas Nachbarland Namibia mittlerweile die Sorge vor Folgeschäden für die dortige Wirtschaft wie auch die Corona-Bekämpfung. "Die Unterbrechungen beim Nachschub könnten die Erfolge bei der Covid-19-Bekämpfung zunichte machen", sagte Präsident Hage Geingob am Mittwoch bei einem Besuch der südafrikanischen Außeministerin Naledi Pandor in Windhuk. Erse Unterbrechungen in der Belieferung mit Gütern aus Südafrika durch zerstörte Lastwagen wie auch die Sperrung wichtiger Transitstrecken wurden bereits bekannt.

In dem Ort Vosloorus im industriellen Zentrum rund um Johannesburg (Gauteng-Provinz) distanzierte sich derweil der Vorsitzende des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), Gwede Mantashe, von Behauptungen, die Gewalt sei ein Protest gegen die Inhaftierung des früheren ANC-Vorsitzenden Zuma. "Einkaufskomplexe niederzubrennen hat nichts mit Zuma zu tun, aber eine Menge mit Kriminalität", sagte er vor laufender Kamera. Auf die Frage nach dessen möglicher Begnadigung meinte er: "Inmitten einer Krise blinzelt man nicht." Kriminelle sabotierten die Basis der Wirtschaft und zerstörten eine Infrastruktur, die den Armen ihre Jobs nehme.

Vier Ausländer aus Somalia getötet

Das mittlerweile zur Unterstützung der Polizei mobilisierte Militär wurde laut Regierungsangaben vor allem an strategischen Punkten rund um Krankenhäuser und Flughäfen, aber auch im Township Alexandra bei Johannesburg stationiert. Während der Unruhen wurden auch mindestens vier Ausländer aus Somalia getötet und weitere verletzt.

Die Afrikanische Union (AU) rief angesichts der Gewalt dringend zu einer Wiederherstellung der Ordnung auf. Wie das somalische Außenministerium bestätigte, wurden auch zahlreiche somalische Geschäfte in der Provinz KwaZulu-Natal geplündert.

Somalische Händler waren in der Vergangenheit bei Übergriffen in Südafrika wiederholt Ziel von Attacken. Das somalische Außenamt appellierte daher an Südafrikas Regierung, somalische Staatsbürger vor brutalen Übergriffen zu schützen.

Die Situation wird verschärft durch die Corona-Krise - viele Impfzentren sind wegen der Unruhen geschlossen. Zudem drohen Versorgungsengpässe, weil seit Tagen eine der wichtigsten Verbindungen - die Autobahn N3 von Afrikas bedeutendstem Hafen in Durban nach Johannesburg - gesperrt ist. Die geschätzten Schäden für die zuvor schon angeschlagene Volkswirtschaft des Landes werden mittlerweile auf mehrstellige Millionenbeträge geschätzt.

Begonnen hatten die Krawalle als eine Form des Protestes gegen die Inhaftierung des Ex-Präsidenten Jacob Zuma; innerhalb weniger Tage entwickelten sie sich dann aber zu großflächigen Ausschreitungen im industriellen Herz des Landes rund um Johannesburg sowie Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal.

Zuma war wegen Missachtung der Justiz zu einer Haftstrafe von 15 Monaten verurteilt worden, die er am späten Mittwoch antrat. Er muss sich vor einer Untersuchungskommission wegen verschiedener Korruptionsvorwürfe während seiner Amtszeit (2009-2018) verantworten, war aber einer Vorladung nicht gefolgt.

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